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Iannis Xenakis: Music for Keyboard Instruments – realised by computer

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Artikelnummer: NEOS 10707 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: Mai 20, 2008

Infotext:

KOMPLEXITÄT – UNSPIELBARKEIT – WERKTREUE
IANNIS XENAKIS’ KOMPOSITIONEN FÜR SOLO-KLAVIER UND SOLO-CEMBALO
AM COMPUTER REALISIERT

In der Musik von Iannis Xenakis sind Rationalität und Emotionalität untrennbar miteinander verschränkt. Die Strukturen seiner im Grunde emotionalen Stücke sollten als Chiffren menschlicher Existenz verstanden werden. Für die Interpreten seiner Musik bedeutet das, zu versuchen, die ›Noten‹ so getreu wie möglich zu spielen. Andererseits kann aber keine der hier vorgestellten Kompositionen wirklich ›korrekt‹ wiedergegeben werden. Mehr noch: Sie sind streckenweise unspielbar, weil Xenakis in allen Stücken sehr oft die spieltechnischen Möglichkeiten des jeweiligen Instruments ignoriert bzw. überschreitet.

Er schreibt Klangeffekte vor, die man mit Hilfe des Klaviers oder des Cembalos nicht verwirklichen kann, wie z.B. das stets präsente Tremolo in Zweiunddreißigsteln im Cembalostück Khoaï oder die viel zu raschen Tonwiederholungen im Klavierstück Evryali. Auch kurze Einzeltöne sind nicht realisierbar, wenn gleichzeitig das Haltepedal am Klavier betätigt wird, wie in Herma verlangt. Der Hauptgrund für die Schwierigkeit, die Kompositionen richtig zu spielen, liegt aber darin, dass sie streckenweise eine Komplexität und Vielschichtigkeit aufweisen, denen in der Realität kein Interpret gewachsen ist. Zur Verdeutlichung dieses Aspekts seien einige Merkmale der Stücke kurz beschrieben.

Als typisch für Xenakis’ Musik können die großen Tonhaufen gelten. Sie sind manchmal relativ einfach geformt, zum Beispiel aus einer Vielzahl von stochastisch (also aleatorisch oder statistisch) zusammengefügten Tönen. Xenakis nannte solche chaotischen Tonmassen ›Tonschwärme‹ oder ›Tonwolken‹. Im Fall einer Tonwolke wie hier in Herma (Minute 6:27 bis 6:37 dieser Aufnahme), muss der Ausführende nur ihren Tonumfang und ihre Dichte – also die Menge der Einzeltöne pro Sekunde – korrekt wiedergeben, was kein wesentliches Problem darstellt.

Sehr schwierig wird es, wenn große Tongruppen ganz präzise angelegt sind, z.B. durch Verwebung von kurzen, in unterschiedlichen Tonlagen wiederholten melodischen oder rhythmischen Einheiten. Solche Stellen kann man auf dieser CD in den Stücken Mists (0:00–1:05) und Khoaï (4:48–5:04) hören: Hier werden sehr chromatische auf- oder absteigende Ton-›Linien‹ ineinander geschachtelt. Eine ähnliche Situation bildet die kanonartige Überlagerung und/oder Durchdringung von oft wiederholten und ähnlich rhythmisierten Einzeltönen, u.a. in Evryali (0:52–1:04) oder in Khoaï (3:11–3:30) zu hören.

In Naama werden sogar drei unterschiedliche Rhythmen überlagert (4:14–4:35). Diese komplizierten, durch Wiederholung, Überlagerung und Verwebung gebildeten Klang-Texturen, lassen sich verständlicherweise nicht von einem einzelnen Musiker rhythmisch getreu wiedergeben, ebenso wenig, wie er eine korrekte Stimmführung realisieren könnte.
Noch komplizierter wird es für einen Interpreten, wenn die vielen Linien oder Stimmen eines Klanggewebes sich überkreuzen, wie z.B. in Evryali (2:33–2:59): Stimmkreuzungen am Klavier können wegen der einheitlichen Klangfarbe dieses Instruments nur sehr eingeschränkt verdeutlicht werden.

Es bleibt dem Pianisten lediglich die Möglichkeit, die verschiedenen Stimmen über die Lautstärke zu differenzieren, was aber der beabsichtigten Wirkung allenfalls eingeschränkt nahe kommt. Am Cembalo kann man Stimmkreuzungen auf einem einzigen Manual, wie Xenakis sie im Stück Naama  (13:13–13:36) vorschreibt, überhaupt nicht hörbar machen. Ein weiteres Hindernis stellt für den Interpreten die gleichzeitige Wiedergabe von zwei entweder schichtartig überlagerten oder sich durchdringenden, unterschiedlich strukturierten ›Klangwolken‹ oder Texturen dar. Ein Beispiel für so eine Situation ist in Herma (1:07–1:40) zu hören: Hier soll gleichzeitig eine Schicht aus Staccato-Noten und eine Schicht, deren Töne mit Hilfe des Pedals eine kompakte Klangwolke bilden sollen, gespielt werden. Eigentlich müssten solche und ähnliche Stellen von zwei Pianisten an zwei Klavieren gespielt werden.

Es ist nahe liegend, zu überlegen, warum Xenakis derartig komplexe Stücke trotzdem für ein Soloinstrument komponiert hat und nicht für mehrere Klaviere oder Cembali oder für ein Instrumentalensemble. Oder, warum er sie nicht gleich am Computer als ›elektronische‹ oder ›elektroakustische‹ Musik realisiert hat, in der es weder menschliche noch instrumentale Beschränkungen gibt und wo sich Klangresultat und künstlerische Intention völlig entsprechen. Möglicherweise wollte er im Fall der vorliegenden Kompositionen den Musikablauf einheitlich oder zentral gesteuert haben, was ein Solo-Stück und damit einen einzigen Interpreten impliziert.

Man könnte auch vermuten, dass er einige der Stücke für ein Klavier konzipiert hat, weil vieles in ihnen doch auch sehr ›pianistisch‹ ist. Als Beispiel sei hier auf die aufsteigenden Arpeggien am Anfang von Mists (0:00–1:05) verwiesen. Diese und ähnliche Stellen verlangen nach einem Klavierklang. Ein zusätzlicher Grund hängt vielleicht mit einem Problem der Rezeption von elektro-akustischer Musik zusammen: Im öffentlichen Konzert – also in einer einmaligen kommunikativen Situation – nimmt man eine Komposition, die im Tonstudio aufgenommen und nachträglich über Tonträger wiedergegeben wird, ganz anders und vielleicht weniger intensiv wahr als direkt aufgeführte Musik. Xenakis hat im Fall der hier besprochenen Stücke der nicht-perfekten aber ›lebendigen‹ Aufführung möglicherweise den Vorzug gegeben, um einen besseren Kontakt zum Publikum herzustellen.

Der Wunsch, die Kompositionen so zu hören, wie Xenakis sie sich wahrscheinlich vorgestellt und ganz präzise notiert hat, ist aber selbstverständlich trotzdem berechtigt. Der Dirigent Daniel Grossmann legt mit dieser CD wahrscheinlich als Erster einen Rekonstruktionsversuch der klanglichen Vorstellungen des Komponisten vor. Die sehr spontan wirkenden Aufnahmen sind dabei in Wahrheit das Resultat einer intensiven Arbeit am Computer. Viele Feinabstimmungen waren gerade im Bereich des Lautstärke-Verhältnisses einzelner Töne nötig.

Auch die rhythmische Abfolge der einzelnen Töne dichter, aleatorisch gestalteter Tonwolken, die Xenakis rhythmisch bewusst unpräzise notiert hat, wie beispielsweise in Mists (3:15–6:30), musste immer überlegt werden. Die Erstellung der klanglichen Balance innerhalb von genau strukturierten Texturen sowie das optimale Lautstärke-Verhältnis zwischen überlagerten, aber unterschiedlich strukturierten Schichten, waren ein wichtiger Teil von Grossmanns Arbeit.

Zusätzlich hat er mit Hilfe einer behutsamen Panoramierung, d.h. der akustischen Verteilung unterschiedlicher Töne und Tongruppen auf den rechten und den linken Lautsprecher, die Individualität und Autonomie der unterschiedlichen Klang-Ebenen evident gemacht. Den vom Computer vorgegebenen starren Grundpuls und das Tempo hat er in bestimmten Fällen kaum merklich unregelmäßig gemacht und dadurch ›vermenschlicht‹. Ein wichtiges Ziel seiner Arbeit war nicht zuletzt die Erarbeitung einer überzeugenden Dramaturgie der einzelnen Kompositionen, also das optimale Verhältnis von lauten und leisen Teilen sowie die angemessenste Länge der crescendi und decrescendi.

Paradoxerweise lässt gerade diese so rational entstandene (Computer-)Aufnahme die große Lebendigkeit und Frische der Musik von Xenakis voll in Erscheinung treten. Da die CD nicht (primär) für eine Wiedergabe im öffentlichen Konzert bestimmt ist, entfällt in ihrem Fall das oben beschriebene Problem der Rezeption von elektronischer Musik. Die Aufnahmen sollten dabei beurteilt werden wie jede normale Aufnahme, nämlich als Dokumentation eines musikalischen Interpretationsakts mit eigenem künstlerischen Anspruch. Trotzdem versteht sich die vorliegende CD selbstverständlich nicht als  Ersatz für bereits bestehende oder zukünftige ›echte‹ Einspielungen der Stücke. Sie möchte aber die Rezeption der Kompositionen sowohl von Seiten des Publikums als auch von Seiten der Instrumentalisten erleichtern.

Tom Sora

Programm:

Weltpremiere: Erste auf einem Computer realisierte Einspielung von Xenakis’ Musik für Tasteninstrumente – für menschliche Hände unspielbar!

[01] 06:39 Herma für Klavier (1961)

[02] 11:13 Mists für Klavier (1981)

[03] 14:23 Khoaï für Cembalo (1976)

[04] 07:43 Evryali für Klavier (1973)

[05] 15:33 Naama für Cembalo (1984)

Gesamt: 55:30

Daniel Grossmann, MIDI Programmierung

Pressestimmen:


19.03.2009

Xenakis, Iannis: Klaviermusik
Für Menschen unspielbar

(eb) Der griechisch-französische Komponist Iannis Xenakis (1922 bis 2001) entwickelte seine Musik aus Proportionen und formalen Prozessen, zu denen eine extrem dichte Harmonik tritt. Die Klaviermusik von Xenakis ist für den Pianisten unspielbar, es sei denn, er trifft aus den notierten Tönen eine Auswahl und akzeptiert, wie es Xenakis tat, die Unvollkommenheit der Wiedergabe. Daniel Grossmann realisierte mit Computerunterstützung nun eine Wiedergabe genau dessen, was Xenakis schrieb. Das Ergebnis: wilde, aufregende, geniale Musik!


29.10.2008

On one level, it makes perfect sense to realise Iannis Xenakis’s notoriously difficult works for solo piano and solo harpsichord using computer-controlled MIDI instruments, without the mediation of a fallible interpreter.

There’s no doubt that the torrents of notes in the five pieces here – Herma, Mists and Evryali, for piano, Khoai and Naama for harpsichord – are heard in these “performances” with an accuracy and clarity that no human player could hope to match. Xenakis’s keyboard writing contains the most elaborate cross rhythms, irrational note values and gradations of dynamic and touch imaginable and it is compelling to hear them all presented as immaculately as this.

But it brings up the question of whether Xenakis ever intended these pieces to be realised with such scrupulous accuracy – indeed, whether the statistical calculations that lie behind so much of his music were ever meant to be an end in themselves, or were just a means to a kind of complexity in which the performer’s strivings and inevitable shortcomings become inseparable from its expressive power.

That said, there’s no doubt that much of that visceral quality survives – the remorseless power of Khoai and the convulsive eruptions of Herma especially, and the stuttering repetitions of Naama.

Andrew Clements


10.2008


28.08.2008

Classical Music 6/2008

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