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Hermann Keller: Schumann Metamorphoses and Piano Sonatas

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Artikelnummer: NEOS 11041 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: September 10, 2010

Infotext:

SCHUMANN-METAMORPHOSEN UND KLAVIERSONATEN

Hermann Keller komponiert nach wie vor »Partiturmusik« und rührt, wenn er am Klavier improvisiert, immer wieder an den Schlaf wirklicher Entdeckung. Dass der leidenschaftliche Künstler Widerparts braucht, um seiner Musik Echtheit und Vitalität zu verleihen, ist für ihn kardinale Voraussetzung kreativen Arbeitens. Techniken des Gestaltens mit Bedacht anzuwenden, ihnen immer neue Facetten abzuringen, selbstständig Forschungen anzustellen über Materialien, wie sie ursprünglich klingen, in welchen Kontexten sie entstehen und auftreten, wie sie möglicherweise zu verarbeiten wären, sind Kellersche Tugenden. Ferner die Möglichkeit, Spannungen auszukomponieren, die Dur-Moll-Spannungen etwa, die Spannungen der Schumannschen Kreuzrhythmik, die Spannungen, die im rhythmischen Fundus der europäischen und außereuropäischen Musikpraxis liegen.

Keimblätter. Schumann-Metamorphosen für Klavier
Direkte Schumann-Anverwandlungen sucht man in dem so unsteten wie höchst schlüssigen Ablauf des Stückes vergeblich. Vielmehr findet Keller Gestaltenswertes hinter und zwischen ausgesuchten Strukturen Schumannscher Klaviermusik. Keimblätter pflegt – durchgängig verdeckt –, mit markanten Rhythmen, Binnenstrukturen, figurativen Modellen (Carnaval Nr. 8) umzugehen. Zudem klingen Schumannsche Artikulationsweisen und melodische Finessen an.

Teil 1 exponiert einen Dreiklang, der durchs ganze Stück zu geistern scheint, aber nirgends recht existieren kann. Das geht bis zu seiner Vernichtung. Harmlos anfangs, wie derselbe erweitert, chromatisiert, zur Dissonanz gebracht wird, um hernach in ein präpariertes Umfeld zu fallen (Teil 2 und 3). Teil 4, ein Adagio, zitiert wörtlich, – es ist die einzige Stelle im Stück – , vier Töne von Schumann höchst selbst, nämlich aus Carnaval, Nr. 8 »Réplique« (daraus die Nr. 3 der »Sphinxes«, eine Bassfigur in Pfundnoten, die nicht mitgespielt wird). Die Noten erscheinen dreifach: gespielt auf Tasten, gezupft und abgedämpft.

Teil 6 bringt so etwas wie Akkordspiele in wechselnden Lagen und Farben. Virtuose Figurationen, die sich in Tontrauben und Einzeltönen auflösen, hält Teil 7 bereit. Eine typisch Schumannsche Schlussformel findet sich – überraschend – am Ende von Teil 8. Teil 11 aktiviert erstmals jene Schumannsche Gegenrhythmik (vgl. Presto-Intermezzo »Paganini« aus Nr. 16 Carnaval), deren Puls in Teil 13 und 15 bis ins Extrem getrieben wird. Keller nennt sie »Kreuzrhythmik«. Der kontrastierende Teil 14 mutet wie ein unvollendetes Zwölftonstück an.

Teil 16 bringt die ohnehin problematischen Schattierungen um den Ausgangsdreiklang durch wildeste Cluster-Aktionen vollends in die Krise, während das Finale mittels wüst attackierender fff-Unterarmcluster gänzlich Schluss macht mit allem schönen Schein.

Schumann-Metamorphosen für Violine und Klavier
Das neunteilige, sorgfältig disponierte Duett zeigt andere Arten, mit romantischem Themenmaterial umzugehen. Zum Sprechen kommen einmal Schumanns Es-Dur-Thema aus den späten Geistervariationen für Klavier, einer ziemlich düsteren, selbstquälerischen Arbeit. Sodann Themata aus dem Violinkonzert d-moll. Endlich Anklänge aus der Mondnacht nach Eichendorff. Hohe Kunst, das Aufgerufene widersprüchlich in Beziehung zu setzen. Die Durcharbeitung erfolgt teils nach dem Hoketusprinzip. Denn die Rollen tauschen. Einmal exponiertes Themenmaterial übernimmt der Gegenpart, spinnt es fort, kommentiert es in unterschiedlichen Hitzegraden, macht es fremd.

Keller akzeptiert freilich das selbst gewählte alte Material, ficht es aber gleichzeitig aufs Unerhörteste an. Keine Phrase, in der nicht die Drahtharke durch die Faktur ginge. Nirgends stolziert Schumannsches Material glattweg über die Bühne. Überall lauert der unterschiedlich temperierte An- und Übergriff. Cluster, ob stumpfe oder schneidende, schweigen so wenig wie alle Freundlichkeit demolierende Flageoletts. Subtile Präparationen, bissige Glissandi, belebende Gegenrhythmen und dergleichen treiben ihre Übel. Wie immer sich die Duettierenden gebärden, sie demonstrieren und attackieren zugleich die schöne Erinnerung. Und – je vehementer, raffinierter sie das tun, desto lebendigere Musik entsteht.

2. Sonate für Klavier
Der durchgehend streng strukturierte, sorgfältig durchgehörte Ablauf kommt ohne Präparationen aus. Das Werk ist viersätzig. Satz 1, langsam, besticht durch konstruktive Arbeit mit einer Viertongruppe. In den sonderlichsten Abschattierungen, auf Trillerfeldern, in wechselnden Tempi und Lautstärken, in hohen wie tiefen Lagen, geistert sie traubenförmig durch die Register.

Satz 2 organisiert zunächst auf engstem, dann immer weiter greifendem Raum Musik im Zeichen der minimal art. Erst ein anhaltender Akkord vermag den permanent sich wandelnden, höchst abwechslungsreichen, furiosen Ablauf zu stoppen. Satz 3 artikuliert poetische Töne. Melodisch kommt das chromatische Total zum Zuge. Gesten der Erinnerung, Gebärden der Trauer besiedeln hörbar den Schluss. Satz 5 ist der gewichtigste des Ganzen. Eine fast schwebende, dynamisch jäh wechselnde Introduktion steht einem streng gebauten Rondo voran, worin sich bekanntes wie neues Material spielerisch ausspricht. Die Komposition schließt mit für Keller obligaten unzähmbaren Cluster-Repetitionen.

3. Sonate für Klavier (an zwei Instrumenten im Vierteltonabstand)
Genau diese Vierteltondifferenz macht den Reiz der Komposition aus. Dazu der zielbewusste Einsatz von Präparationen. Da schiebt und zerrt es, Ballungen im Mikrobereich, farbliche Rückungen vitalisieren das Gefüge. Geradezu bezwingend die häufig ausgelösten Konsonanz-Dissonanz-Spannungen und Dur-Moll-Schrägheiten. 6 Teile rollen ab. Figurativ geprägt ist das Geschehen zu Beginn. Teil 2 wandelt – diesmal geringfügig – nach minimal art rhythmisch-melodische Bausteine in Permanenz.

Im Tempo Adagio präsentiert Teil 3 den sensiblen Umgang mit tonalen und nicht-tonalen Akkordbildungen, Einzeltönen, Klangfarben und Präparationen. In Teil 4 tanzen grausam-schön Filzschlägel über die Saiten und Gummiräder rollen unregelmäßig über die Tasten. Sehnsuchtsvoll hebt der Schlussteil 5 an und mündet in vierteltönige Girlanden und Rhythmen. Militante Clusterkaskaden bevölkern erwartungsgemäß den Schluss.

Stefan Amzoll

Programm:

[01] Keimblätter Schumann-Metamorphosen für Klavier (2001) 14:22
Hermann Keller, piano

[02] Schumann-Metamorphosen für Violine und Klavier (1996) 16:38
Antje Messerschmidt, violin
Hermann Keller, piano

2. Sonate für Klavier (2001) 23:14
[03] I. 06:53
[04] II. Perpetuum mobile 05:07
[05] III. Elegie 02:53
[06] IV. Introduktion 02:10
[07] V. Rondo 06:11
Tomas Bächli, piano

3. Sonate für Klavier (2008) 17:53
[08] I. 04:30
[09] II. 01:54
[10] III. 04:40
[11] IV. 02:09
[12] V. 01:12
[13] VI. 03:28
Hermann Keller, piano

total time: 72:08

World Premiere Recordings

Pressestimmen:


21.03.2011

If you’re the adventurous type, there are some interesting, ear-teasing sonorities here to explore.

Hermann Keller (born 1945) is a name that most classical music lovers on this side of the Atlantic won’t have heard before. In fact, as far as I can tell, this is only the second recording of Keller’s music available, both on the NEOS label. However, Keller may be familiar to jazz enthusiasts as a member of the Berlin Improvisation Quartet; his name seems to ring a bell with me in that context. At any rate, very little of his jazz roots inform the music on this disc, though much of it does have an improvisatory feel.

If you’re looking for Schumann in the Schumann-Metamorphosen, then you’ll want to turn to the set for violin and piano. There are obvious quotations from Schumann’s late Violin Concerto and not-so-recognizable ones from the song Mondnacht (Liederkreis, Op. 39) and Geistervariationen (Spirit Variations), the last piece Schumann completed before his final mental breakdown. Since the theme of Geistervariationen (which Schumann claimed was brought to him by the spirits of Schubert and Mendelssohn) markedly resembles that from the slow movement of the Violin Concerto, it seems Keller wants to explore the dark, haunted world of Schumann’s musical imagination as he approached his final dissolution. Even the earlier Mondnacht concerns a nighttime reverie in which the speaker of the poem imagines his soul flying home over a moonlit landscape. Keller’s music is appropriately haunted and, in spots, haunting: fragmentary, elusive, tormented, as Schumann’s tender melodies are assailed by tone clusters, raking dissonances and glissandi. [If you’re not completely geared up for this hard-hitting serialization, you might have your very own mental breakdown…Ed.]

Schumann is harder to find in Keimblätter (Ectoderms), where the only readily identifiable snippet comes from the bounding, virtuosic “Paganini” section of Carnaval, and this doesn’t show up till more than halfway through the piece. But Schumann’s addiction to cross-rhythms is explored in the frantic polyrhythms of Keimblätter. Teasingly, the work starts with a simple, entirely tonal rolled chord, and occasionally tonal bits and pieces well up in the prevailingly dodecaphonic musical argument.

As in the two sonatas on the disc, Keller seems most intent on exploiting various sonorities available to him at the keyboard—as well as under the hood, so to speak, as he calls for plucked or thrummed strings, either damped or undamped. For me, a little of this goes a long way. I was intrigued by the Schumann Metmorphoses, especially the set for piano and violin. But by the time I waded into the Third Piano Sonata, I felt I was familiar enough with Keller’s idiom to know how this one would play out. Still, for the adventurous, for those who like to keep abreast of contemporary music for piano, and for those who are interested in modern German composers’ fascination with their musical forebear Robert Schumann, there are some interesting and ear-teasing sonorities here to explore.

— Lee Passarella

 


04.10.2010

Hermann Keller Schumann-Metamorphosen

Hermann Keller ist sowohl als Komponist als auch als Interpret ein unruhevoller Experimentator: Immer auf der Suche nach einer neuen Variation, einer Veränderung und Präparation des Klanges im Raum. Dabei widmet er sich seit jeher der Improvisation, die für ihn immer auch Forschung am Gesamtkontext eines Werkes darstellt.

Einigen wird Keller noch oder besser bekannt sein als Gründungsmitglied des vor allem zu DDR-Zeiten sehr erfolgreichen Berliner Improvisationsquartetts bzw. Trios an der Seite von Manfred Schulze. Kellers Werke reichen von freien Improvisationen mit Jazzanklängen aus allen Musikbreichen der Welt bis zu auskomponierter zeitgenössischer E-Musik.
Auseinandersetzung mit Schumann

Auseinandersetzung mit Schumann

Anlässlich des Schumann-Jahres sind auf der aktuellen CD neben zwei Klaviersonaten aus den Jahren 2001 und 2008 auch zwei Werke vertreten, die sich mit dem großen Jubilar auseinandersetzen. Beide werden vom Komponisten als Schumann-Metamorphosen bezeichnet, doch unterscheiden sie sich doch sehr, was die thematisch-motivische Konzeption und Durchführung betrifft. In den 2001 entstandenen “Keimblättern” für Soloklavier sucht man direkte Schumann-Zitate (fast) vergebens. Es sind vielmehr ausgesuchte Strukturen Schumann’scher Klaviermusik wie gewisse Rhythmen, figurative Modelle und “berüchtigte”  Artikulationsweisen, die Hermann Keller interessieren.
Präparierte Klangwelten

Präparierte Klangwelten

So wird ein Dreiklang exponiert, der im Laufe das knapp viertelstündigen Werkes immer wieder aufschimmert, stets durch klanglich aufregende Filter verzerrt, erweitert oder in seine Einzeltöne zerlegt. Dabei führt Keller den Hörer durch teilweise präparierte Klangwelten, die zwar keineswegs ungehört (und schon gar nicht unerhört) sind, den Hörgenuss jedoch deutlich steigern. Nie aber kommen solche feinen Experimente als bloßes Blendwerk daher, immer stehen sie im konkreten Zusammenhang, oft als direkte Antwort, von bereits Erklungenem.
Kommentiert, weitergesponnen, verfremdet

Kommentiert, weitergesponnen, verfremdet

Die “Schumann-Metamorphosen” für Violine und Klavier (1996) dagegen verarbeiten Themata aus den späten Geistervariationen, dem d-Moll Violinkonzert und der berühmten Mondnacht. Die Durcharbeitung erfolgt dabei fast “klassisch”. Das Material wird vom Gegenpart aufgenommen, kommentiert, weitergesponnen und verfremdet. Nie aber lässt Keller ein reines Zitat zu, stets hat man das Gefühl, die beiden Solisten trauen der musikalischen Erinnerung nicht – und je raffinierter sie das tun, desto lebendiger und aufregender wird die Musik.
Erinnerungen an ein Westernklavier

Erinnerungen an ein Westernklavier

In den beiden Klaviersonaten bewegt sich Keller stärker im Mikrobereich. Seine 3. Sonate (2008) ist sogar an zwei Instrumenten im Vierteltonabstand zu spielen. Auf höchst subtile Art lotet der Komponist hier das Verhältnis zwischen Konsonanz und Dissonanz aus, Dur und Mollreibungen bekommen durch die leichte Verzerrung, die manchmal an ein Westernklavier erinnert, eine ganz eigene innere Spannung. Klug hinzugefügte Präparationen beatmen das streng strukturierte Gefüge auf beglückende Weise.

Johann Jahn

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