Infotext:
Konsequent in ihrem Denken und resistent gegen jede Form von Opportunismus, musste sie in der Sowjetunion für Jahre verstummen, aber sie wurde nicht gebrochen. Galina Ustvolskaya lebte und überlebte in einem schmalen, engen Freiraum. Ihre Musik „Protest“ zu nennen, würde zu kurz greifen – sie war einfach „anders“. Die Gesamteinspielung ihrer Klavierwerke durch Sabine Liebner beweist ihre Individualität und strenge stilistische Kontinuität, und sie zeigt eine langsame, ganz im Inneren stattfindende Radikalisierung. Aus einfachen Klang-Bausteinen entstehen klare und doch komplexe Strukturen; ein unmilitärischer Gleichschritt von Viertelnoten verwandelt sich sukzessive in das Pulsieren von Glocken, die schließlich zerspringen.
Programm:
Galina Ustvolskaya (1919–2006) SACD 1 12 Preludes (1953) 20:54 Piano Sonata No. 1 (1947) 09:12 [16] IV 03:35 Piano Sonata No. 2 (1949) 10:03 SACD 2 [01] Piano Sonata No. 3 (1952) 17:20 Piano Sonata No. 4 (1957) 09:44 Piano Sonata No. 5 (1986) 16:00 [11] VI 01:01 [16] Piano Sonata No. 6 (1988) 06:09 Sabine Liebner, piano |
Pressestimmen:
The New Listener Juni 2016 Das Ensemble KNM Berlin unter Roland Kluttig traf eine interessante und vielgestalte Auswahl an Werken des Mexikaners, die sein Schaffensspektrum recht repräsentativ abzubilden vermag. Das Ensemble spielt mit großer Anteilnahme und sichtlicher Freude an der Musik, alles ist rhythmisch exakt und die Musiker vermögen dank der trennscharfen Instrumentation einen passend heterogenen Klang zu erzeugen, der auch in den polyphonsten Passagen durchhörbar bleibt. Der Klang zeichnet sich durch eine Schärfe aus, die stets etwas Bestimmtes und Selbstbewusstes ausstrahlt. Teils fehlt etwas der durchlaufende Bogen durch die Werke, wobei hier meines Erachtens fraglich ist, inwieweit dieser überhaupt realisierbar ist bei solch brüchigen Kontrasten wie in der Musik Silvestre Revueltas‘. Wenig einzupassen vermag sich die Stimme von Gabriel Urrutia, die bei den Tres Sonetos zu sehr im „Sing-Sang“ befindlich ist (vor allem im ersten Soneto, „Vuelvo a ti, soledad, agua vacía“), zu dominant im Vordergrund steht und in „No sé por que piensas tú…“ einen allzu prätentiös-opernhaften Ton anstimmt, anstatt sich dem begleitenden Ensemble und auch dem Lied an sich angemessen etwas mehr zurückzuhalten. Hingegen kann die instrumentale Leistung des KNM Berlin wesentlich mehr hervorstechen und der leider nach wie vor viel zu unbekannten Musik dieses großartigen Komponisten durchaus gerecht werden. Oliver Fraenzke 26.01.2016 Wat blijft van de op 87-jarige leeftijd in het Shostakovitch jaar 2006 overleden Galina Oestvolskaya. Ze was diens leerling. We hebben op z’n minst opnamen van haar werken gelukkig. En de documentaire die Reinbert de Leeuw en Cherry Duins van haar maakten. Elmer Schönberger noemde haar ooit ‘de vrouw met de hamer’ vanwege haar ongehoord Spartaanse stijl en de toonclusters plus de mokerslagen die ze op een vierkanten houten kist naast de vleugel uitdeelde. Jan de Kruijff
CD-compakt
Pupil and perhaps lover of Shostakovich, Galina Ustvolskaya’s modernist tendencies kept her on the periphery of Soviet musical life from the 1950s onwards. In the years before her death in 2006 at the age of 87, though, she achieved cult status in western Europe with her raw, pared-down late pieces, which were regularly programmed at new-music festivals. Most of the piano works that Sabine Liebner plays date from the beginning of Ustvolskaya’s career, however, when the influence of Shostakovich was still dominant. The 12 Preludes of 1953, for instance, are clearly indebted to her teacher’s 24 Preludes and Fugues, composed two years earlier, though it’s the spare late works of Scriabin that seem to haunt the Third and Fourth Piano Sonatas, also from the 1950s. Only the Fifth and Sixth Sonatas, from 1986 and 1988, inhabit the extraordinarily compacted, highly dissonant musical world that was characteristic of Ustvolskaya’s last period – the Fifth is a sequence of 10 tiny movements, none lasting as long as two minutes, while the Sixth is a sustained six-minute crescendo, built from sequences of pounding clusters that are broken only by terrifyingly empty silences. Andrew Clements
UNBESTECHLICH Unbestechliche Strenge, geschult an alten (Bach) und neuen (Shostakovitch) Meistern, kennzeichnet das schmale, eigenwillige Oeuvre von Galina Ustvolskaya (1919-2006). Jede Note, die die russische Komponistin geschrieben hat, scheint ebenso innerer musikalischer Notwendigkeit wie äußerer kompositorischer Inspiration entsprungen. Die tiefreligiöse Komponistin sprach bei ihren schöpferischen Phasen von einem „Gnadenzustand“. Die klare formale Anlage, die barocke kontrapunktische Formen (z. B. Fugen) mit freier Chromatik verbindet, entspricht in keinster Weise den pathetisch-optimistischen Hohlformeln des geforderten „sozialistischen Realismus“. Ustvolskaya war eine komponierende Dissidentin. Ihre Stimme wurde auch im Westen erst spät gehört. Dort aber traf die eigenwillig elementar wirkende Musik auf offene Ohren. Der düstere, wuchtige Ernst ihrer Klaviermusik nimmt den Hörer in der Neueinspielung von Sabine Liebner sofort gefangen. Wie atonale Bach-Echos nehmen sich noch die 12 Präludien von 1953 aus, ein Zyklus, der von ähnlichen Werken ihres Lehrers Schostakovitch angeregt wurde. Aber schon hier bestechen das eigenwillige harmonische Gleichgewicht und die konzise motivische Arbeit. Dabei umkreist Ustvolskaya meist einige wenige Töne und baut daraus kleine chromatische Zellen, die sie miteinander verbindet. Die Musik wirkt oft nackt, auf ihr Substrat reduziert – lange Passagen sind nur ein- oder zweistimmig. Diese Klänge sagen einem nicht, wie man sich fühlen soll (anders als die Werke der romantischen Ära). Dennoch geht eine stark expressive Wirkung von ihnen aus. Auffällig ist in den 6 Klaviersonaten der oft abrupte Wechsel der Dynamik von einem Abschnitt zum Nächsten: Massivität und Zartheit begegnen sich auf engstem Raum. In der 5. Sonaten folgen perkussive Klänge von bedrängender physischer Direktheit und entrückte, manchmal fast ausgeblichen wirkende Pianissimopassagen unvermittelt aufeinander. In den Stücken der späten 1940er Jahre vermag man noch stärker die Echos der Tradition zu erkennen. In der letzten Sonate von 1986 gibt es dagegen fast nur noch heftig geschlagene Clusterfelder, die von abgründigen Pausen durchsetzt sind. Elementar und erschreckend zugleich. Ein Ballett für Felsbrocken. Ein Totentanz. Sabine Liebner widmet sich dieser so konzentrierten Musik mit kraftvoller Ruhe und sensibler Präzision (auch noch bei den massivsten Tonballungen spielt sie die Musik). Ein überzeugendes Plädoyer für eine querständige Komponistin des 20. Jahrhunderts.
Georg Henkel |
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