Mieczysław Weinberg: Three Palms / String Trio / Trumpet Concerto No. 1 – Weinberg Edition Vol. 5

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Artikelnummer: NEOS 11129 Kategorie:
Veröffentlicht am: Juli 20, 2011

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Bei der Weinberg-Retrospektive der Bregenzer Festspiele 2010 stand die szenische Uraufführung seiner Oper »Die Passagierin« im Mittelpunkt, doch die Aufführung von über zwanzig weiteren Werken schuf einen Einblick in den unglaublichen Reichtum des Œuvres dieses vergessenen Komponisten. Weinberg fühlte sich zum Komponieren gezwungen, um damit sein Überleben vom Holocaust, als Einziger seiner Familie, zu rechtfertigen. Die dadurch entstandenen großartigen symphonischen und kammermusikalischen Werke sind voller Melancholie und Trotz. Wir danken NEOS dafür, dass nun auch Andere an der Wiederentdeckung dieses inspirierten und wichtigen Komponisten teilhaben können.

David Pountney

Drei Palmen op. 120 für Streichquartett und Sopran (1977)

Von drei Palmen in der arabischen Wüste berichtet ein Gedicht von Michail Jurjevic Lermontow (1814–1841). Diesen Text nahm Weinberg zur Grundlage seines gleichnamigen Werks, das sehr ungewöhnlich für Sopran und Streichquartett besetzt ist. Die Mischung aus Kammermusik, Liederzyklus und Kantate machen den Charakter dieses 1977 konzipierten Stücks aus.

Stilistisch ist die gut 20-minütige Komposition ungemein expressiv, wobei auch viele lyrische Passagen eingearbeitet sind. Sicher diente als Vorbild Arnold Schönbergs Zweites Streichquartett op. 10 von 1908, in dem ebenfalls eine Sopranstimme zum Quartett-Klang hinzutritt. Auch Schönbergs Werk verarbeitet ein sehr privates Erlebnis. Dieser Bezug scheint Weinberg auch in den Drei Palmen wichtig gewesen zu sein.

In Lermontows Text beschweren sich die drei Palmen bei Gott über ihre Nutzlosigkeit. Die Antwort besitzt eine alttestamentarische Heftigkeit: Eine Gruppe von Beduinen kommt und nutzt die Bäume für ihr Lagerfeuer. Im Sterben erhalten die Bäume ihren Sinn. Hierin liegt die symbolische Botschaft des Stücks. Gefühle von Einsamkeit, später Wut und Verzweiflung werden von Weinberg wie mit dem Silberstift nachgezeichnet. Chromatische Wendungen – in denen sich der Leidenstopos älterer Musikstile spiegelt – unterstützen den Schmerz dieses Opfergangs, der gegen Ende zu absoluter Trostlosigkeit führt.

Ob sich hinter den drei Palmen der Holocaust, die Ermordung von Weinbergs drei Familienangehörigen oder sein eigener Opfergang in der Kunstdiktatur der Sowjetunion verbirgt, bleibt offen. Vielleicht spielten alle diese Aspekte in der Musik eine Rolle. Das große Mitgefühl über das Schicksal der drei Palmen ist jederzeit spürbar und musikalisch eindrucksvoll gelöst.

Streichtrio op. 48 für Violine, Viola und Violoncello (1950)

Bereits 1950 hatte Mieczysław Weinberg sein Streichtrio op. 48 komponiert. Das Werk blieb aber lange Jahre ungedruckt und existierte daher bis 2007 nur als Autograph. Die Herkunft aus der Stalin-Ära mag den ernsten Charakter dieses Werks beeinflusst haben. Es wird gemutmaßt, dass Weinberg für eine Aufführung an Musiker des Moskauer Bolschoi Theaters dachte. Doch schließlich erblickte das Werk erst posthum das Licht der Welt.

Musikalisch gesehen kann man das Stück auch als Tanzsuite deuten. Seit Mozarts und Beethovens Zeiten besaß die Gattung Streichtrio einen spielerischen Divertimento-Charakter im Gegensatz zum gelehrten Streichquartett. Dieses tänzerische Element herrscht auch in Weinbergs Streichtrio vor, allerdings gepaart mit schwermütigen Zügen. Woher die volkstümlichen Einflüsse kommen, lässt sich bei Weinberg oft nicht genau lokalisieren.

Seine Wohnorte Polen, Weißrussland und Usbekistan haben ihn sicher beeinflusst. Daneben waren für ihn Moldawien und natürlich die russische Volksmusik starke Inspirationsquellen. Er bediente sich allerdings immer einer genuin jüdischen Musikrichtung, die in diesen Ländern mit der jeweiligen Folklore verschmolz.

Ein Werk wie das Streichtrio lässt sich aber auch als Komposition eines zur »inneren Emigration Gezwungenen« hören. Die Festlichkeit im eröffnenden Allegro besitzt einen etwas sarkastischen Beigeschmack. Das Andante in d-Moll mischt in den gesungenen Schmerz eine Trotzhaltung und erinnert etwas an die stolzen langsamen Abschnitte eines ungarischen Csardás. Alle drei Musiker sind gleichberechtigt in die Partitur eingebunden.

Der Klang ist kammermusikalisch leicht, wird aber an einigen Stellen durchaus zu orchestraler Pracht gesteigert. Weinberg gelingt in diesem zwar kleinen, aber gewichtigen Werk ein feuriges Plädoyer für die Freiheit der Kunst. Hört man die Musik mit diesen Ohren, erklärt sich das lange Verschweigen dieses Meisterwerks vielleicht von selbst.

Trompetenkonzert in B-Dur op. 94 (1967)

Im Gegensatz zu Schostakowitsch schrieb der stets neugierige Weinberg auch Konzerte für etwas seltener bedachte Instrumente: Darunter finden sich die Flöte, die Klarinette und die Trompete. Letzteres Instrument spielt auch in der russischen Zirkusmusik eine tragende Rolle. Diese Veranstaltungen wurden in der sowjetischen Zeit sogar von einem eigens eingerichteten Organ verwaltet. Außerdem schrieben mehrere namhafte Komponisten Musik für die artistischen und clownesken Darbietungen in der Arena.

In Weinbergs Trompetenkonzert von 1967 mischt sich in das turbulente Zirkus-Treiben des Kopfsatzes mit seinem rhythmisch markanten und grellen Klang auch ein sarkastischer Unterton. Vor allem der Mittelsatz mit seinem Wechsel von aufgeplusterten und kontemplativen »Episoden« wirkt wie das psychologische Drama eines traurigen Clowns. Vielleicht eine Selbstbespiegelung des Komponisten.

Sein Trompetenkonzert schrieb Weinberg für den ausgezeichneten Trompeter Timofej Dokschizer, den weltbekannten Bearbeiter von Arutjunjans Trompetenkonzert. Der Solist darf sich in einer großen Kadenz im Finale ausleben. Dieser ruhige Schlusssatz ist außerordentlich gestaltet. Er enthält eine stattliche Anzahl bekannter Zitate, etwa gleich am Anfang die Fanfare aus Mendelssohns Hochzeitsmarsch.

Später folgen noch Anspielungen auf den Hahnenschrei aus Rimski-Korsakows Oper Der goldene Hahn und der Chœur des gamins aus Bizets Oper Carmen. Sicher lassen sich weitere Zitate und Militär-fanfaren heraushören. Statt mit dem erwarteten rasanten Kehraus beendet Weinberg sein 1968 erstmals aufgeführtes Trompetenkonzert mit einem collagenartigen Abgesang, der ganz dem Geist der Neuen Musik verpflichtet ist. Schostakowitsch war so beeindruckt von der neuartigen Struktur, dass er das Konzert als »Symphonie für Trompete und Orchester« bezeichnete.

Matthias Corvin

Programm:

[01] Three Palms for string quartet and soprano op. 120 (1977) 23:04
Cantata after verses by Mikhail Lermontov

Talia Or, soprano
EOS-Quartett Wien
[Willy Büchler, violin ∙ Christian Blasl, violin ∙ Roman Bernhart, viola ∙ Andreas Pokorny, violoncello]

Trio for Violin, Viola and Violoncello op. 48 (1950) 15:18

[02] Allegro 05:23
[03] Andante 05:32
[04] Moderato assai 04:23

Kana Matsui, violin
Johannes Flieder, viola
Christoph Stradner, violoncello

Trumpet Concerto No. 1 in B flat major op. 94 (1967) 22:49

[05] Études – Allegro molto 08:06
[06] Épisodes – Andante 08:55
[07] Fanfares – Andante 05:48

Jürgen Ellensohn, trumpet
Symphonieorchester Vorarlberg
Gérard Korsten, conductor

total time: 61:13

Live Recordings

Pressestimmen:


No. 2/2012

 

This is the fifth volume in NEOS’s ‘Weinberg Retrospective’, recorded at the Bregenz Festival in 2010. The centrepiece of the festival was the premiere staging of Weinberg’s opera and magnum opus Die Passagierin (‘The Passenger’), but around two dozen other works were also performed. Volumes 1 and 2 are reviewed here, volume 3 here, and the DVD recording of Die Passagierin here. Coincidentally, Chandos recently released the fifth volume in their own superb series, begun in 2003, of Weinberg’s complete symphonies – see review.

The compact String Trio makes an excellent entry point for newcomers to Weinberg: its light Shostakovichian idiom should appeal to almost all tastes. Matthias Corvin’s suggestion in the notes that Weinberg “succeeds in creating a fiery plea for artistic freedom” seems to read more into the Trio than is there, as is so often the case in Soviet-era musicology: it is more folk-inflected and spirited than fiery.

There is considerable poignancy, indeed tragedy, reflected in the sombre Three Palms, passionately sung by Talia Or. Lermontov’s eponymous poem is a harsh Biblical homily that tells of three palm trees in the desert that complain to God about their futility, who responds with typical Old Testament violence, having them chopped down and used as firewood by Bedouins. It is surely no coincidence that Weinberg lost three members of his family – both parents and sister – in a similarly mindless way at a Holocaust death camp. No surprise it was still on his mind more than thirty years later. Despite its lyricism, the music oozes pain and suffering, and ultimately desolation.

Weinberg’s alternately witty and nervy Trumpet Concerto in B flat is a hoot, particularly the ironic absurdities of the ‘Fanfares’ finale. The Concerto does appear occasionally in European concert halls, but nowhere near often enough – this is one of the most memorable since Haydn. The booklet lists it as his Trumpet Concerto no.1, which is certainly true, but he did not write a second one.

There are good performances throughout this programme, but soprano Talia Or and trumpet Jürgen Ellensohn merit a special mention for their contributions: Or for her heartfelt passion and Ellensohn for his almost casual virtuosity and humour.

Sound recording is very good indeed: coughing and rustling has been kept to an absolute minimum either by very thoughtfully positioned microphones or benign audiences – one phlegmy splutter near the beginning of Three Palms being the exception. Applause has been skilfully edited out, the audience again being very helpful in not having cut into the short silence which rightly belongs at the end of all works of art music.

Housed in an attractively designed digipak case, the CD booklet is thick, although having everything in four languages means that there is much less information than appears at first sight – most notably, Lermontov’s poem has not been included. Nevertheless, the notes are illuminating, well written and well translated into English.

Byzantion

http://www.musicweb-international.com/classrev/2012/Mar12/Weinberg_vol5_11129.htm

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