Mieczys³aw Weinberg: Requiem – Weinberg Edition Vol. 3

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Artikelnummer: NEOS 11127 Kategorie:
Veröffentlicht am: Juli 20, 2011

Infotext:

Epigraph
Noch warm sind die Gewehrläufe,
und der Sand hat das ganze Blut nicht aufgesogen,
doch Frieden trat ein. Holt Luft, Leute,
nachdem die Schwelle des Krieges überschritten ist…
(А. Twardowski)

1. Brot und Eisen (Dmitri Kedrin; 1907-1945)

Brot reift auf dem Erdboden, wo Sonne ist und Kühle,
wo laut der Regen rauscht und Vögel im Gebüsch zwitschern,
aber tief unter der Erde, näher dem Schoße der Hölle,
hat sich Eisen abgelagert in rostigen Schichten.

Segnen wir das Brot! Es ist unser Leben und unsere Speise,
doch müsste man nicht jenen Stahl verfluchen, der uns auf der Stelle
in unterirdische Wohnungen befördert?…
Den Weizen säte Gott. Das Eisen hat der Teufel geschmiedet.

(7. April 1942)

 

2. Und dann (Federico García Lorca; 1898-1936)

Die von der Zeit gegrabenen
Labyrinthe
sind verschwunden.

Wüste
ist geblieben.
Das ewig rauschende Herz –
Quell aller Wünsche
ist versiegt.
Wüste
ist geblieben.

Niedersinkender Dunst (des Sonnenuntergangs)
und Küsse
sind vergangen.
Wüste
ist geblieben.

Verstummt, verhallt,
Kalt geworden, versiegt,
verschwunden …
(Wüste
ist geblieben.)

 

3. Sanfter Regen wird kommen (Sara Teasdale; 1884-1933)

Sanfter Regen wird kommen und der Geruch von Erde,
das Zwitschern der flinken Schwalben die ganze Nacht hindurch.

Und die nächtlichen Koloraturen der Frösche in den Teichen,
und die Blüte der Pflaumenbäume in weißschaumigen Gärten;

Ein Feuerbrust-Puschel wird auf den Zaun herabfliegen,
und des Rotkehlchens Triller wird ein Klangmuster weben.

Und niemand, und niemand wird an den Krieg zurückdenken;
überstanden – vergessen, Vergangenes aufrühren muss man nicht.

Und kein Vogel und keine Weide werden eine Träne vergießen,
wenn das Menschengeschlecht von der Erde verschwindet.

Und der Frühling, und der Frühling begrüßt eine neue Morgenröte,
ohne zu bemerken, dass es uns schon nicht mehr gibt, nicht mehr gibt.

(3x Wdh.)

 

4. Hiroshima-Fünfzeiler (Munetoshi Fukagawa; 1921-2008)

Wie ein Blutstropfen
rinnt der Mond vom Firmament,
beleuchtend die finstere Erde
mit seinem flimmerndem Licht…
Es fällt die Asche des Todes, Todes, Todes –

Mein Schatten fiel von mir
auf den Schatten eines Menschen,
der verbrannt ist
im Feuerwirbelsturm…
in Schwaden steigt gelber Staub auf, Staub, Staub.

Kinder kamen herbei in Scharen,
um kleine Fische zu angeln,
doch in der Flussmündung
wirbelten an diesem Tage
im Wasserstrudel Leichen, Leichen.
Frierende Spatzen,
dicht zusammengedrängt,
zwitschern in der Dämmerung
auf dem abgebrannten Gerippe eines Hauses
unter eisigem Regen, Regen, unter dem Regen.

Auf dem Fluss, auf dem Fluss,
der dort vorüberfließt,
wo es im Herzen der Explosion
keine Überlebenden gab,
schwimmen still Kamillenblüten.

In diesem Stein
verbirgt sich Zorn:
Wie tief eingeprägt hat sich
der Schatten des Menschen, der verbrannt ist,
lebendig verbrannt ist!

Das Gras vertrocknet,
aber die Farbe ist grasgrün,
die Mauer aber, die Mauer
ist von dem Atomblitz
so weiß geworden! A a a

Sogar, sogar ein einfaches
Gespräch …. über Gras,
das die Asche überdeckt hat,
treibt euch die Tränen in die Augen,
o, japanische Frauen!

Wenn über dem im Sonnenuntergang
flammenden Fluss
die Abendglocke läutet,
erinnere ich mich an die Inschrift:
«No more Hiroshima!»

Ich und du, ich und du,
Ich und du, wir schälen
die reife Birne,
in eine glückliche Nacht
lässt der Himmel Tränen fallen, Tränen, …!

Zum Himmel ausgestreckte
und weit ausgebreitete Hände, Hände,
mit dem Flehen um Erettung des Lebens …
stehst du vor der Statue
und bist unfähig wegzugehen, unfähig, …

«No more Hiroshima!» A a a

5. Menschen gingen spazieren (Federico García Lorca; 1898-1936)

Menschen gingen vorüber,
einen Herbstweg.

Menschen gingen hinaus
ins Grüne, ins Grüne.
Sie trugen Hähne,
Gitarren – zur Heiterkeit,
gingen durch ein Reich,
wo Samen regierten.
Der Fluss trug schnell das Lied davon,
ein Springbrunnen sang am Wegesrand.
(Ach), mein Herz,
zucke zusammen!

Menschen gingen hinaus
ins Grüne, ins Grüne.
Und hinter ihnen kam der Herbst
in gelben Sternen.
Mit traurigen Vögeln,
mit Wellenkreisen,
setzte sich auf die gestärkte Hemdbrust,
mit hängendem Kopf.
Mein Herz, mein Herz,
verstumme, beruhige dich!

Menschen gingen vorüber,
und hinter ihnen kam der Herbst.

 

6. Säe Korn (Michail Dudin; 1916-1993)

Ich mache das an der Erde
verübte Böse wieder gut,
indem ich mit Samen das Feld besäe.
(Rudyard Kipling)

Du, auf der Erde geboren, durch das Vermächtnis
deiner fernen Vorfahren ist dir beschieden,
immer, im Winter wie im Sommer
mit deiner Seele zu hören: Säe Korn!

Ich mache das an der Erde
verübte Böse wieder gut,
indem ich mit Samen die Felder besäe.

Du, auf der Erde geboren, ist dadurch nicht
deine Pflicht seit langem vorherbestimmt: …
ihre Wälder und Böden zu erhalten,
ihre Meere und Flüsse. Säe Korn!

Ich mache … wieder gut,…

Was macht es, dass die Welt zerspalten ist
von der Schwermut der Streitigkeiten, egal,
es vergehen Krieg, Pest und Hunger,
Liebe und Lied. Säe Korn!

Ich mache … wieder gut,…

Wenn auch das Herz in einem einzigen Augenblick
von letzter Leidenschaft verbrannt wird,…
und du wie ein Korn in die Tiefen
des Erdenschoßes eindringst. Säe Korn!

Die Erde ist dein! Sie hat die Spindel
deines Schicksals geschwungen.
(Du, auf der Erde geboren.)
Und es hat kein Ende und keinen Anfang,
das ewige Lied. Säe Korn! …

Ich mache … wieder gut,…
Säe Korn!

Bei der Weinberg-Retrospektive der Bregenzer Festspiele 2010 stand die szenische Uraufführung seiner Oper »Die Passagierin« im Mittelpunkt, doch die Aufführung von über zwanzig weiteren Werken schuf einen Einblick in den unglaublichen Reichtum des Œuvres dieses vergessenen Komponisten. Weinberg fühlte sich zum Komponieren gezwungen, um damit sein Überleben vom Holocaust, als Einziger seiner Familie, zu rechtfertigen. Die dadurch entstandenen großartigen symphonischen und kammermusikalischen Werke sind voller Melancholie und Trotz. Wir danken NEOS dafür, dass nun auch Andere an der Wiederentdeckung dieses inspirierten und wichtigen Komponisten teilhaben können.

David Pountney

Requiem
für Sopran, Knabenchor, Chor und Orchester, Op. 96 (1965–1967)

Die Völker verbindende Botschaft seiner Sechsten Sinfonie findet sich auch in Weinbergs Requiem op. 96. Es entstand 1965–1967 und darf sicher auch als Antwort auf Benjamin Brittens berühmtes War Requiem von 1962 gelten, das ihm durch seinen Freund Schostakowitsch ans Herz gelegt wurde. Tiefe Ergriffenheit und das blanke Entsetzen über die Schrecken des Krieges finden sich in beiden Werken.

Solche Totenmessen hatten in der Sowjetunion natürlich keine liturgische Funktion, da der orthodoxe Glaube durch den Glauben an den Vater Staat ersetzt wurde. Vielmehr ehrten solche Klagegesänge soldatische Helden oder kommunistische Würdenträger. Dass aus der religiösen Andacht früherer Requien weltliche Musik wurde, hatte sich freilich bereits bei Berlioz und Verdi angebahnt. Insofern befindet sich Weinberg auch mit diesem Werk in guter romantischer Tradition.

Das Requiem ist groß dimensioniert und in den Vokalpartien sehr anspruchsvoll. Wie in der Sechsten Sinfonie wird ein Knabenchor eingebunden. Diesmal kommen jedoch noch ein gemischter Chor und ein Solo-Sopran hinzu. Neben Texten des Spaniers Federico García Lorca (1898–1936) sowie des Russen Dmitri Kedrin (1907–1945) und der Amerikanerin Sara Teasdale (1884–1933) lässt Weinberg in das Werk seine 1966 verfasste Kantate Hiroshima op. 92 einfließen nach Texten des Japaners Munetoshi Fukagawa (1921–2008). Die amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 hatten den Menschen eine neue Zerstörungskraft des Krieges vor Augen geführt.

Auch hier schafft es Weinberg, eine allgemeine Kritik am Krieg über jeden nationalen Standpunkt von Siegern und Besiegten zu stellen. Dennoch überschreibt er auch dieses Werk mit einem Friedensgedicht des sozialistischen Dichters Aleksander Twardowski (1910–1971) und beendet es mit einem Text des konformen sowjetischen Dichters Mikhail Dudin (1916–1994). Dessen Gedicht schildert vor dem Hintergrund aller kriegerischen Auseinandersetzung das Aufblühen eines kommunistischen Bilderbuchstaates.

Es ist stark anzunehmen, dass solche politischen Passagen dem Komponisten vom Regime auferlegt wurden. Weinberg selbst spürte ja immer wieder die Macht des Staates. Für heutige Ohren klingen solche Verse wie blanker Hohn, da wir den Zusammenbruch der alten Sowjetunion miterlebten.

Weinbergs Orchesterbehandlung ist äußerst diffizil, sogar Cembalo, Celesta, Mandoline und Klavier werden einbezogen. Einigen Stellen gibt er eine an Strawinsky gemahnende Schärfe. Auch das Schweben zwischen atonalen (Akkord-Cluster im dritten Satz) und tonalen Partien wird von ihm gekonnt gehandhabt. Zudem hält er die langen meditativen und voranstürmenden Abschnitte in kluger Balance. Lyrische Zentren sind die von der Sopranistin vorgetragenen Lorca-Gedichte, die den theatralischen Höhepunkt im Hiroshima-Abschnitt umrahmen.

Doch weder die packende Musik noch die politische Schlussbotschaft schürten damals das Interesse an Weinbergs opulentem Requiem. Es verschwand in der Schublade seines Komponierzimmers. Ausgegraben wurde es erst bei der späten Uraufführung unter Thomas Sanderling in der Philharmonic Hall Liverpool am 21. November 2009 – 13 Jahre nach Weinbergs Tod.

Der Kritiker Joe Riley schrieb damals im Liverpool Echo, dieses Requiem sei »weniger eine Beschwörung des Jüngsten Gerichts wie in Verdis bombastischem Gegenstück oder Mozarts dunklem Schwanen-gesang, sondern vielmehr eine Elegie auf den an der Natur vollbrachten Schaden«.

Matthias Corvin

Programm:

Requiem
for soprano, boys’ choir, chorus and orchestra, op. 96 (1965–1967)

[01] Bread and Iron (Dmitri Kedrin) 02:59
[02] And Then … (Federico García Lorca) 05:01
[03] There will Come Soft Rains (Sara Teasdale) 15:15
[04] Hiroshima Five-Line Stanzas (Munetoshi Fukagawa) 21:47
[05] People Walked … (Federico García Lorca) 05:14
[06] Sow the Seed (Mikhail Dudin) 10:29

total time: 60:46

Elena Kelessidi, soprano
Wiener Sängerknaben
Gerald Wirth, choirmaster
Prague Philharmonic Choir
Lukáš Vasilek, choirmaster
Wiener Symphoniker
Vladimir Fedoseyev, conductor

Live Recording

Pressestimmen:


12/2012

 


01/12

Die SACD “Mieczyslaw Weinberg – Requiem” wurde im Januar 2012 mit dem Diapason d’or ausgezeichnet

 


12/2011

With the first two volumes of Neos’s Weinberg Edition already issued (see review) three more appear this month. I am hoping that colleague reviewers will tackle the chamber volumes but I could not resist hearing this masterfully varied and typically poignant Requiem from the mid-1960s.

Weinberg’s layout follows the anthologising pattern adopted by Britten and Shostakovich. It’s a secular Requiem with – as expected – no Latin texts:-

[1] Bread and Iron (Dmitri Kedrin) [2:59]
[2] And Then … (Federico García Lorca) [5:01]
[3] There will Come Soft Rains (Sara Teasdale) [15:15]
[4] Hiroshima Five-Line Stanzas (Munetoshi Fukagawa) [21:47]
[5] People Walked … (Federico García Lorca) [5:14]
[6] Sow the Seed (Mikhail Dudin) [10:29]

The Bread and Iron movement is typified by belligerent drums and the wailing female choir. After this comes the first of two Lorca-based settings. And Then … starts with the incessantly anxious chiming of harpsichord and celesta over which the men and women of the choir sing Lorca’s words. The harpsichord is very prominently balanced and might remind you of the radio telescope music from Herrmann’s The Day the Earth Stood Still. The use of this most fragile and intimate of instruments carries over into There will Come Soft Rains where again it is used to lace the atmosphere with urgency. The rapid striding tempo of the strings suggests William Schuman and a sort of brutalised and trembling distress. Defying its title this movement imparts neither peace or remission. Hiroshima Five-Line Stanzas makes play with flute and vibraphone. The music does not muse and the middlingly quick and chaffing birdsong is counter-pointed by soft female singing. At 1.47 we here either a balalaika or a shamisen. The writing is full of ideas that intrigue and hold the mind’s ear. Weinberg’s use of rhythmic devices of various sorts marks out his music. Penderecki’s Hiroshima Threnody is referenced through a wailing ululation (at 4:14). The singing becomes tentative and makes its limping querulous way. At 9.03 there is a greater intensity of singing and drums fire a cannonade of anger. This fades into a fatigued and feeble emotionalism. Much of it is quiet with gong and shamisen sounds providing a fascinating lacework. From this emerges a more beatific atmosphere from the women and the strings – a sort of Dona Nobis Pacem of The Cold War. In People Walked Elena Kelessidi is the floridly volatile petrol-incendiary soprano. She interacts with the pecking and chanting of the harpsichord and balalaika. This is amounts to a defiant operatic aria but again takes a gradient towards gravely subdued expressive music. This segues without seam or gear shift into Sow the Seed. Here the strings digress and discourse moderato while the words are sung alternately by women and men.

So ends a major discovery from Weinberg’s Soviet Union years – years which from him delivered suppression and reward.

Rob Barnett

http://www.musicweb-international.com/classrev/2011/Dec11/Weinberg_requiem_11127.htm

Auszeichnungen & Erwähnungen:


01/12

The SACD “Mieczyslaw Weinberg – Requiem” is awarded the Diapason d’or in January 2012

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