Luigi Nono: Guai ai gelidi mostri – Quando stanno morendo. Diario polacco n. 2

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Artikelnummer: NEOS 10801/02 Kategorie:
Veröffentlicht am: Juni 1, 2008

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GUAI AI GELIDI MOSTRI – WEHE DEN EISKALTEN UNGEHEUERN

»Ich habe gefühlt und fühle, unvorhergesehene und unvorhersehbare Musik für die Carnevali machen zu müssen. Mich persönlich interessiert […] nicht nur das Graue, nicht nur die angefertigten Brüche, sondern das SCHÖNE NEUE DAS EXPLODIERT – TRAGISCH – AUCH GEWALTSAM – ABER STREBEND NACH DEM SANFTESTEN NEUEN« schreibt Luigi Nono an den befreundeten Maler Emilio Vedova im März 1983 aus dem Schwarzwald. Denn zu jener Zeit befindet sich der Komponist in einer Arbeitsphase im Freiburger Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung, wo er zusammen mit dem Leiter Hans-Peter Haller neue Möglichkeiten der klanglichen Zeit- und Raumgestaltung erforscht und sich Studien zur Live-Elektronik widmet.

Auch der Philosoph Massimo Cacciari ist inspiriert von Vedovas maskenhaften Bildern und Skulpturen. Seit den frühen 80er Jahren begleitet Cacciari als Freund und Autor Nonos Schaffen und liefert auch für Guai ai gelidi mostri die Textgrundlage. In freier Assoziation reiht der Philosoph Zitatfragmente aneinander. Das Lesen des mehrsprachig gehaltenen Texts wird gleichsam zu einer Wanderung durch mythologisch-philosophisches Gebiet.

Die vier Abschnitte, deren Titel auf die gleichnamigen Bilder Vedovas verweisen, umschreiben mit einem doppeldeutigen Wortspiel den ›stato‹ (= Zustand bzw. Staat) als das »kälteste aller Ungeheuer«. Es sind Nietzsche-Vokabeln aus Also sprach Zarathustra, die Cacciari für seinen Beginn »In Tyrannos!« wählt und mit Zitaten von Franz Rosenzweig »Das Wort der Gewalt« sprechen lässt.

Im weiteren Verlauf (mit Zitaten von Gottfried Benn, Ezra Pound, Lukrez, Ovid, Walter Benjamin, Carlo Michelstaedter und Rilke) beschwört Cacciari im Sinne Nietzsches den utopischen Zustand, in dem sich der Mensch nicht ständig selbst entfremdet und dadurch ›überflüssig‹ wird. Und zugleich schenkt er einen Ausblick in eine Zukunft, in welcher der Mensch aus der eisigen Gewalt ausbricht, mit der Vielfalt an Diskontinuitäten leben lernt (»discontinuous gods«) und schließlich seine Angst ablegt (»Pone Metum«).

Guai ai gelidi mostri ist ein Werk der Extreme, in dem Nonos Bedürfnis, definierte Klangorte und -gesten zu vermeiden, konkret wird. Alle acht Interpreten, die dem Publikum gegenüber in einem Bogen platziert sind, werden solistisch behandelt und durch Mikrophone verstärkt. Ihre Klänge, live-elektronisch transformiert, verteilen sich über acht möglichst unsymmetrisch angebrachte Lautsprecher im Raum.

In Guai ai gelidi mostri greift Nono in selbstreferienteller Art auf bereits gewonnenes Klangmaterial von früheren Kompositionen zurück, etwa Das atmende Klarsein oder Quando stanno morendo. Diario polacco n. 2. Nono transponiert ihre Klangfragmente, verteilt sie auf die jeweiligen Instrumente und ordnet sie in einen neuen Ablauf. Auch in die Zeitstruktur greift Nono experimentell ein: Er überlässt die zeitlichen Parameter dem Zufall und erwürfelt die neuen Notenwerte.

Dass Nonos musikalisches Denken dabei das aleatorische Moment der Würfelzahlen an historisch-kulturelle Phänomene koppelt, zeigt sich anhand seiner Skizzeneintragungen ›Josquin‹ und ›Dadi‹ (Würfel). Mit langen Notenwerten bilden die drei tiefen Streicher ein rhythmisch changierendes Klangkontinuum. Es ist, ähnlich dem Streichquartett Fragmente – Stille, an Diotima, mit zahlreichen Spielanweisungen versehen. Leise, wie hinter akustischen Masken verborgen, schimmern ihre Akkorde hervor. Ausgehend vom Halaphon, einem Gerät, mit dem elektronisch gesteuerte Klangbewegungen ermöglicht werden, wandern ihre Töne im Raum.

In ihr fragiles Klangnetz tauchen gedehnte Silben der Altstimmen ein. Nono vertont dabei keineswegs den gesamten Text Cacciaris, sondern wählt einzelne für ihn bedeutungsvolle Worte aus. Oftmals fächert sich der im tiefen Register gehaltene Sängerpart chorisch auf indem Nono größere Intervalle wie alternierte Quarten oder Quinten live-elektronisch beimischt. Urplötzlich sprengen Bläserakkorde mehrmals das unruhige Klangkontinuum. Mikrointervallisch mit dem Publison nach oben transponiert und über eine Feedbackschleife aufgestaut, liegen ihre Attacken an der Grenze des noch akustisch Erträglichen. Diese Angriffe auf den Hörer können in Bezug zum Text politisch verstanden werden. Doch wenn Nono sie später in seiner ›Hörtragödie‹ Prometeo integriert, werden sie vielmehr zum radikalisierten Zeichen seines ästhetischen Programms: mit maximaler Irritation das Bewusstsein für ›das Andere‹ zu öffnen und den Wirklichkeits- um einen Möglichkeitssinn zu erweitern.

Birgit Johanna Wertenson

 

QUANDO STANNO MORENDO. DIARIO POLACCO N. 2

Anfang der achtziger Jahre beginnt sich Luigi Nono mit den technischen Möglichkeiten der Klangverarbeitung in Echtzeit, der sogenannten Live-Elektronik, intensiv zu beschäftigen. Nach den ersten Erfahrungen, die er am Freiburger Experimentalstudio mit Das atmende Klarsein und Io, frammento da Prometeo gesammelt hat, entsteht 1982 Quando stanno morendo. Diario polacco n. 2, ein Werk für zwei Soprane, Mezzosopran, Alt, Bassflöte, Violoncello und Live-Electronik.

Für die Besetzung sieht der Komponist vor, dass der Cellist abwechselnd drei Instrumente verwenden soll, die jeweils vier gleiche Saiten haben, welche mikrointervallisch um die Töne F, Fis und C gestimmt sind. Die in dieser Komposition vertonten Texte der osteuropäischen Dichter Endre Ady, Aleksandr Blok, Velemir Khlebnikov, Czesław Miłosz und Boris Pasternak wurden von dem Philosophen Massimo Cacciari zusammengestellt und von Nono fragmentiert und so komponiert, dass sie zum größten Teil nur partiell zu verstehen sind.

Diario polacco n. 2 ist ein Werk, das nicht von einer vorgefertigten Struktur ausgeht: Der Entstehungsprozess dieser Komposition gründet auf die gelenkte Improvisation der mitwirkenden Musiker, mit denen Nono im Freiburger Studio seine Klang-Experimente durchführte. Für die Werkgenese sämtlicher Werke, die im Experimentalstudio in den 80er Jahren entstanden, spielte die Phase des Experimentierens eine herausragende Rolle.

In den aufgeschriebenen Skizzen hielt der Komponist die Resultate dieser Experimente fest, die er mit einem nicht zu unterschätzenden Beitrag der Sänger und Instrumentalisten sowie der  Mitarbeiter des Freiburger Studios durchgeführt hatte. Ausgehend von diesen Aufzeichnungen komponierte er dann sein Werk. In einem Interview am Tag vor der Uraufführung sagte Nono, dass es noch keine endgültige Partitur seines Werkes gebe und dass er eine definitive Partitur erst nach der Uraufführung verfertigen werde – ein Konzept, das mit einer Poetik der Offenheit und der Suche zu tun haben dürfte: »Man muss heute die Art und Weise ändern, wie die Musik gedacht wird.«

In der Tat existiert im Luigi Nono-Archiv eine handschriftliche ›vorläufige Partitur‹, die genau einen Monat vor der Uraufführung in Venedig datiert ist und vermutlich als Grundlage für Veränderungen hätte dienen sollen. Die letztendlich relevanten Änderungen sollten sich vor allem auf die Anwendung der Live-Elektronik beziehen.

Diario polacco n. 2 ist eine dreisätzige Komposition, in welcher der mittlere Satz von Instrumenten und deren live-elektronischer Klangveränderung dominiert ist. Die anklagenden Verse des russischen Dichters Khlebnikov: »Mosca – chi sei?«, die exponiert in diesem Satz aus der verdichteten Klangtextur herausragen, werden durch eine dröhnende und gewaltsame Passage des Cellos hervorgehoben. Hier verwendet Nono eine spezielle Bogentechnik, die darin besteht, dass die Interpreten gleichzeitig mit zwei Bögen alle vier Saiten (die um dieselbe Tonhöhe mit mikrointervallischen Verschiebungen gestimmt sind) spielen.

Aus einer frühen Skizze geht hervor, dass Nono in Erwägung gezogen hatte, die Viola da gamba für dieses Werk zu verwenden, doch entschied er sich später für das Violoncello. In den Rahmensätzen, die von den hohen Singstimmen und den für Nonos Spätwerk typischen ausgedehnten zeitlichen Verläufen geprägt sind, sind Reminiszenzen an Renaissancemusik und deren kanonischer Kompositionstechnik zu entdecken.

Ähnlich wie in vielen früheren Werken (wie beispielsweise La fabbrica illuminata) schließt die Komposition mit einem a-cappella-Satz, der – wiederum mit Versen Khlebnikovs – eine Art Klagelied bildet. Der leise Klageschrei »Quando stanno morendo, gli uomini cantano« (Wenn Menschen sterben, singen sie) kündet von der politischen Dimension der Musik Nonos der späten Jahre.

Auch bei diesem Werk war der Anlass zur Komposition ein politischer: Nachdem Nono 1981 den Auftrag bekommen hatte, ein Werk für das polnische Festival ›Warschauer Herbst‹ zu schreiben, wurde Polen im Dezember dieses Jahres von einem Militärputsch erschüttert, der die Auflösung der Gewerkschaft Solidarnosc und die Verhaftung von Intellektuellen und Gewerkschaftsmitgliedern zur Folge hatte.

Der von General Jaruzelski verhängte Kriegszustand wurde erst 1983 aufgehoben und das Festival fiel 1982 aus. Nonos ›polnisches Tagebuch‹ versteht sich als eine Anklage gegen die Gewalt von Diktatur und Militärmacht: Sein politisches Engagement als Musiker ist stets von der Solidarität mit den Unterdrückten charakterisiert. Frei von ideologischen Vorurteilen gilt für Nono, der seit 1952 Mitglied der kommunistischen Partei war, der Marx’sche Imperativ – »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« – auch für die Unterdrückung in den Ländern des sogenannten realen Sozialismus.

Die musikalische Gestaltung von Diario polacco n. 2 zeugt bis tief in die Faktur des Klangbildes von dieser kritischen Einstellung: »Heute mehr denn je trägt der Künstler die Verantwortung, keine endgültigen, zweckgerichteten Vorschläge zu machen«. Die Offenheit der Form und der Werkgenese, die Beweglichkeit des Klanges, die unruhige und fragmentierte Textur setzen die im Zentrum des Werkes stehende Frage »Moskau – wer bist du?« mit unerhörter Kraft um und sind ein Zeugnis von Nonos reifem politischen Engagement.

Matteo Nanni

Programm:

SACD 1

44:18 Guai ai gelidi mostri (1983)
für zwei Altstimmen, Flöte, Klarinette, Tuba, Viola,
Violoncello, Kontrabass und Live Electronik
Textzusammenstellung von Massimo Cacciari

[01] 27:40 Parte I

[02] 07:34 Parte II
[03] 00:40 Parte III
[04] 08:22 Parte IV

Noa Frenkel/Susanne Otto, Alt – Roberto Fabbriciani, Flöte
Ernesto Molinari, Klarinette – Klaus Burger, Tuba – Susan Knight, Viola
Christine Theus, Violoncello – Ulrich Schneider, Kontrabass

EXPERIMENTALSTUDIO des SWR
Michael Acker/Reinhold Braig/Joachim Haas, sound direction

André Richard, Dirigent und Künstlerischer Leiter

 

SACD 2

38:58 Quando stanno morendo. Diario polacco n. 2 (1982)
für vier Frauenstimmen, Bassflöte, Violoncello Und Lie Elektronik
Nach Texten von Czesław Miłosz, Endre Ady, Aleksandr Blok
und Velemir Khlebnikov
Textzusammenstellung von Massimo Cacciari

[01] 04:54 Parte Ia


[02] 03:39 Parte Ib
[03] 05:38 Parte Ic
[04] 03:38 Parte IIa
[05] 02:45 Parte IIb
[06] 02:44 Parte IIc
[07] 08:09 Parte IIIa

[08] 03:30 Parte IIIb
[09] 04:00 Parte IIIc

Heike Heilmann/Petra Hoffmann/Alexandra Lubchansky, soprano
Susanne Otto, alto – Roberto Fabbriciani, flute – Christine Theus, violoncello

EXPERIMENTALSTUDIO des SWR
Michael Acker/Reinhold Braig/Joachim Haas, sound direction

André Richard, Dirigent und Künstlerischer Leiter

Pressestimmen:


03-04/09

The music of Luigi Nono (1924–1990) has been a hard nut for me to crack over the years. More than his peers of the pioneering postwar modernist generation (Boulez, Stockhausen, Berio), who began their careers steeped in the practice of total serialism, I never seemed to “get” what his music was about, or perhaps more accurately, to see what the fuss was about. In Nono, often not much happens. Voices are strained to their extremes in seemingly awkward ranges and gestures. Electronics seems ponderous, even plodding. Every now and then the largely quiet and placid, planar surface is disrupted by a violent outburst. And over it all is an elaborate intellectual/theoretic armature of classical reference, late-modern philosophy, critical theory, and Marxist politics.

Having laid out the case “against,” I have to say that over time I’ve also slowly gotten a handle on what I feel remains worthwhile here. And this disc is in fact one of the best arguments for Nono’s vision.

First, I find it useful to distinguish between Nono’s large theatrical works and his chamber music. The former tend to be vast polemical canvases, and frankly they collapse beneath their weight; Nono’s language of spare and delicate gestures seems mismatched to media and genre, once they are inflated in scale, volume, and forces. In Fanfare 25:2 I came to such a judgment concerning Al gran sole carico d’amore, and my remarks there still stand (the same goes for his Promoteo, which I know many think is one of the great works of the second half of the 20th century—sorry, folks). Perhaps this is because these are works where the composer felt compelled to communicate most explicitly his political vision. But Nono’s aristocratic lifestyle and aesthetic stance was inherently in conflict with his proletarian project, and this may have hobbled the music.

But the chamber music is a radically different matter. I respect the listener who may feel there is just not enough going on, or that there is a fundamental preciousness about the concentration on relatively minimal sonic resources. But with works such as his string quartet, An Diotoma, or his work for multiple violins and electronics, La lontananza nostalgica utopica futura, the musical language gets under my skin. There’s a deep concentration, a focus on isolated moments that seems intense and authentic. Though there are extraordinary moments of terrifying drama, I can’t help but think of Morton Feldman now as I listen. There’s a similar attention to detail, to the importance of the tiny sonic inflection.

Two other thoughts. First, Nono was always involved with electronics, but this may be a case of a composer truly “ahead of his time.” This recording brings a German team of top-flight creative sound designers into play as equal performers, and their live processing of the players creates some visionary aural landscapes that I suspect are the fruit of the technology moving to a level commensurate with the composer’s original vision.

Second, maybe it’s because I’ve been reading Adorno recently, Nono strikes me as a composer whose music is predicated on a rigorous honesty, one that in fact almost demands that the work fail on some level. For a European composer after World War II to write a “successful” music might be a form of self-delusion. Too much had gone so wrong, one had to accept the fact that every work of art has elements within itself that are working for its decay and destruction. Many of the very things that can make Nono’s music irritating, especially the technical “impossibilities,” may be fruits of this attitude toward creation. One can, of course dismiss this as a perverse form of self-indulgence, but I get enough of substance from the encounter to give the composer the benefit of the doubt.

This recording is SACD, and I don’t have the equipment to give it full realization (DVD player yes, speaker arrangement no). But that is a minor point in terms of what’s significant here. These are brilliant and dedicated performances that don’t dilute difficult music by making it “accessible,” but at least do make it more comprehensible via the best possible representation.

Robert Carl

 


03-04/09

 

14.03.2009

L’esprit des sons

Du nouveau en matière de musique contemporaine. Ancien propriétaire et fondateur du label allemand Col Legno, Wulf Weinmann a lancé Neos, un nouveau label dédié à ses passions : la musique de notre temps et les répertoires « marginaux ». On retrouve donc un savoir faire typiquement germanophile : des choix éditoriaux sans concessions et des interprètes allemands de haut niveau, réputés dans leur domaine. En terme de présentation, Neos propose de beaux objets : couvertures abstraites mais esthétiques, notice de présentations exhaustives et pas trop pédantes et digipacks de qualité.

Premier essai et premier coup de maître ! Luigi Nono est représenté par des partitions très rarement jouées et enregistrées : Guai ai gelidi mostri, Quando stanno morendo, Diario polacco n°2. Composées à l’orée des années 1980, ces musiques aux contenus philosophiques et politiques très construits mais assez datés, sont un voyage sonore inimitable. Ces touches de son presque murmurées et brumeuses ainsi que ce temps qui semble distendu à l’extrême produit tout de même son effet. On retrouve parfois des échos des musiques de la Renaissance et des techniques d’écriture en canon, le tout s’avérant rêveur, suggestif et méditatif. Plus que dans ses opéras qui peinent à tenir la longueur et dans ses pièces instrumentales souvent rigides, le Nono le plus prenant et le plus attirant se trouve dans ces fresques vocale à la luminosité latine.

On salue la prestation des musiciens qui tiennent la distance aux frontières des nuances et gèrent la technique de ces musiques si difficiles à restituer dans leur plénitude sonore et musicale. Un beau disque pour découvrir Nono et pour enrichir sa discographie d’œuvres vocales contemporaines.

Sylvain Dupuis

 

02/09

 


12/2008

Diapason d’or 2008
Les plus beaux CD et DVD de l’année élus par la rédaction

 


März 2009

 


11.12.2008

DIE ZEIT – Mitarbeiter empfehlen CDs, DVDs und Musikbücher

Frank Hilberg: Von kleinen Ensembles, mit Intensität zu hören

Luigi Nono: Guai ai gelidi mostri – Quando stanno morendo. Diario polacco n. 2
Experimentalstudio des SWR
NEOS 10801/02

Durch SACD ist das Entstehen und Verwehen der Klänge bei Nono endich auch räumlich zu erleben.

 

 


02.11.2008

Klang-Raum-Experimente

Interpretation: 
Klangqualität: 
Repertoirewert: 
Booklet: 

Seit das Label NEOS vor einigen Jahren damit begonnen hat, das Spätwerk Luigi Nonos auf SACDs zu veröffentlichen, um durch den Einsatz des 5.1-Soundsystems eine adäquate räumliche Wiedergabe der im Stereo-Klangbild nur unzureichend und stark vereinfacht erlebbaren Kompositionen zu ermöglichen, sind eine Reihe von exzellenten Neuproduktionen entstanden, die genau dies leisten. Mit dem SACD-Doppelpack der jüngsten Produktion knüpfen die Macher an die hohe Qualität der vorigen Veröffentlichungen an und legen nun zwei weitere Kompositionen Nonos aus den 1980er-Jahren vor: ‚Guai ai gelidi mostri’ für zwei Alte, Flöte, Klarinette, Tuba, Viola, Violoncello, Kontrabass und Live-Elektronik (1983) und ‚Quando stanno morendo. Diario polacco n. 2’ für vier Frauenstimmen, Bassflöte, Violoncello und Live-Elektronik (1982).
Beide Werke waren schon zuvor in anderen Aufnahmen auf dem Plattenmarkt zu haben – ‚Guai ai gelidi mostri’ in einer LP-Einspielung der Edition RZ (1990) und als CD bei Disques Montaigne (1995), ‚Quando stanno morendo’ im Uraufführungsmitschnitt bei Dischi Ricordi (1991) sowie in zwei sehr unterschiedlichen Produktionen des Labels col legno (1998 und 2002) –, doch macht die neue Veröffentlichung sofort deutlich, dass diese älteren Aufnahmen sowohl in Bezug auf das Klangbild als auch im Hinblick auf die Reproduktion der für Nono zentralen live-elektronischen Raumkomponenten und -bewegungen einen höchst eingeschränkten Eindruck vermitteln. Die SACD ist daher auch für denjenigen absolut hörenswert, der eine oder mehrere dieser älteren Platten im Schrank stehen hat.
Erfreulich ist darüber hinaus auch die Besetzungsliste der beiden Stücke: Natürlich setzt man auch weiterhin auf Interpreten der ersten Stunde wie etwa auf das Experimentalstudio des SWR unter Leitung von André Richard, auf die Altistin Susanne Otto, auf den Flötisten Roberto Fabbriciani oder auf die Cellistin Christine Theus und knüpft damit an die Aufführungstraditionen aus Nonos Zeit an. Dennoch zeigen andere Namen wie jene von Ernesto Molinari (Bassklarinette) oder Klaus Burger (Tuba), dass sich inzwischen auch eine neue Musikergeneration um Nonos Schaffen bemüht und die häufig über das Notenbild extrem schwierig zu vermittelnden Spieltechniken von den erfahrenen Interpreten an Jüngere weitergereicht werden.
Was beim Hören von ‚Guai ai gelidi mostri’ ganz besonders frappiert, ist die enorme Spannung, die hier aus dem konzentrierten Vortrag karg anmutender Strukturen heraus entsteht, obgleich sich die Musik doch – die seltenen, fast explosionsartigen Dynamikausbrüche einmal ausgenommen – vorwiegend in extrem leisen Bereichen bewegt. Und plötzlich vermeint man auch zu wissen, wo all jene Klangsituationen herstammen, die man heutzutage oftmals in Gestalt manieristisch säuselnder Klangtapeten in Werken jüngerer Komponisten wieder findet: Denn hier ist gewissermaßen das ‚Original’, der Orientierungspunkt, in dem dies alles noch unverbraucht und fesselnd wirkt.
Förmlich unter die Haut geht dann Nonos zweites polnisches Tagebuch ‚Quando stanno morendo’, das hier tatsächlich in seiner sehr komplexen räumlichen Disposition hörbar wird: Wie ein Sog wirkt die Aufeinanderfolge von zarten, fast schon brüchig anmutenden Vokalpassagen und Steigerungsabschnitten aus instrumental-elektronischer Klangschichtungen, deren innere Strukturiertheit auch im Forte gewahrt bleibt und die Musik zu körperlicher Intensität treibt. Besonders ergreifend ist die an einen stilisierten Trauerkondukt gemahnende Schlussphase geraten, deren tiefe und volle Klänge wie das Tönen einer großen Glocke durch den Raum schwimmen, während sich darüber die Stimmen in sanfter und ruhiger Schönheit entfalten. Das ist nicht nur sehr berührend, sondern zeigt noch einmal, welche musikalischen Entwicklungen Nono vor nunmehr 25 Jahren angestoßen hat, als er sich mit seinen Klang-Raum-Experimenten auf ein nahezu ‚unerhörtes’ Terrain begab.

Dr. Stefan Drees

 


08.2008

Auszeichnungen & Erwähnungen:

14.03.2009

L’esprit des sons

Du nouveau en matière de musique contemporaine. Ancien propriétaire et fondateur du label allemand Col Legno, Wulf Weinmann a lancé Neos, un nouveau label dédié à ses passions : la musique de notre temps et les répertoires « marginaux ». On retrouve donc un savoir faire typiquement germanophile : des choix éditoriaux sans concessions et des interprètes allemands de haut niveau, réputés dans leur domaine. En terme de présentation, Neos propose de beaux objets : couvertures abstraites mais esthétiques, notice de présentations exhaustives et pas trop pédantes et digipacks de qualité.

Premier essai et premier coup de maître ! Luigi Nono est représenté par des partitions très rarement jouées et enregistrées : Guai ai gelidi mostri, Quando stanno morendo, Diario polacco n°2. Composées à l’orée des années 1980, ces musiques aux contenus philosophiques et politiques très construits mais assez datés, sont un voyage sonore inimitable. Ces touches de son presque murmurées et brumeuses ainsi que ce temps qui semble distendu à l’extrême produit tout de même son effet. On retrouve parfois des échos des musiques de la Renaissance et des techniques d’écriture en canon, le tout s’avérant rêveur, suggestif et méditatif. Plus que dans ses opéras qui peinent à tenir la longueur et dans ses pièces instrumentales souvent rigides, le Nono le plus prenant et le plus attirant se trouve dans ces fresques vocale à la luminosité latine.

On salue la prestation des musiciens qui tiennent la distance aux frontières des nuances et gèrent la technique de ces musiques si difficiles à restituer dans leur plénitude sonore et musicale. Un beau disque pour découvrir Nono et pour enrichir sa discographie d’œuvres vocales contemporaines.

Sylvain Dupuis

 


12/2008

Diapason d’or 2008
Les plus beaux CD et DVD de l’année élus par la rédaction

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