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György Kurtág: Complete Works for String Quartet

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Artikelnummer: NEOS 11033 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: Juli 1, 2011

Infotext:

Die Streichquartette von György Kurtág

György Kurtágs Musik ist voller Augenblicke, in denen durch die Korridore der Zeit längst Vergangenes herüberklingt. In den 6 Moments musicaux ist es kurz vor Schluss der … rappel des oiseaux…, in dem die Vögel an frühere Zeiten mahnen. Fast ein halbes Jahrhundert liegt zwischen dieser flüchtigen Erinnerung und dem »Vogel-Scherzo« des ersten Quartetts.

Damals waren es konkrete Erinnerungen an den Gesang der Amseln und das Tschilpen zankender Spatzen in einem Pariser Park, in dessen Nähe er wohnte. Ein Stipendium hatte György Kurtág 1957, nach dem niedergeschlagenen Ungarnaufstand und einem gescheiterten Fluchtversuch, an die Seine geführt. Er verbringt dort einen großen Teil seiner Zeit in der Nationalbibliothek, wo er Partituren von Anton Webern abschreibt.

Er selbst komponiert nicht. Dafür bastelt er Insekten aus Streichhölzern. Später wird er in die Skizzen zu seinem ersten Streichquartett eine Fülle langbeiniger, kakerlakenartiger Geschöpfe zeichnen und sich an das Gefühl erinnern, selbst eine kafkaeske Verwandlung durchlebt zu haben. Zunächst nimmt er aber noch 20 Kilo ab und versucht sogar, seiner Handschrift eckigere Züge zu verleihen.

Den Weg aus der Krise weist ihm schließlich die ungarische Psychologin Marianne Stein. Sie rät ihm, zunächst einmal mit nicht mehr als zwei oder drei Tönen zu experimentieren. Für den damals 33jährigen Ungarn ist es die Erlösung. Er komponiert ein Streichquartett, dessen erster Satz den »Weg der Kakerlake zum Licht« beschreibt. Das Drama schildert er in wenigen Takten, mit wilden Bogenstrichen, einer kaum mehr als angedeuteten Tanzfigur und zum Licht aufsteigenden Obertönen.

Opus 1, das Kurtágs Geburt als Komponisten markiert, besteht aus sechs kurzen Sätzen, die nach dem Vorbild der Quartette Béla Bartóks zwiebelschalenartig ineinander verschränkt sind. Spuren der Beschäftigung mit Anton Webern finden sich in der radikalen Reduktion des Materials und im Gebrauch von Zwölftonreihen. Viele Elemente, die Kurtágs Musik bis heute prägen, kündigen sich in diesem Streichquartett bereits an: die hellen Flageoletts der Streicher, das unruhig pochende Herzklopfen, Klänge mit Fernwirkung, der Vogelgesang, ein sprachähnlicher Duktus und seuzferartige Sekundbewegungen.

Auch die Skizzen zu Hommage à Mihály András verraten die Nähe der Musik zu sprachähnlichen und vorsprachlichen Wendungen. In die Skizzen zum ersten Satz notiert Kurtág »Seufzer…Seufzer-Schreie?« und wenig später »Flüstern«. Dem Kollegen Luigi Nono erklärte er einmal, er verfolge beim Komponieren im Wesentlichen zwei Ziele: »Eine Art Einheit mit den Mitteln des möglichen Materials zu erreichen und zu einer Art vokaler Komposition zu gelangen, die sich weitest möglich an die verbale Kommunikation annähert«.

Näher als im fünften Satz der Hommage à Mihály András ist er seinem Ziel selten gekommen. »Das Irdische spricht, der Kosmos antwortet« schreibt er später über »Lontano«, das zu den wenigen Kompositionen gehört, die er uneingeschränkt gelten lässt, und später für den Finalsatz von … quasi una fantasia… Modell stehen wird. Aber bereits in Hommage à Mihály András kommt Material aus älteren Werken zum Einsatz.

Erstmals bedient er sich dabei aus der seit 1973 entstehenden Klaviersammlung Játékok. Allein der Untertitel, 12 Mikroludien, lässt auf die Verwandtschaft mit Jatékók (Spiele) schließen, bringt aber auch Bartóks Mikrokosmos ins Spiel. Darüber hinaus erinnern die chromatisch aufsteigend angeordneten Zentraltöne der zwölf Sätze an Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertes Klavier. Kurtág selbst bezeichnet das Quartett auch als eine »mikro-wohltemperierte Folge ohne Tonartenzwang«.

In Officium breve sind die wichtigsten Bezugsfiguren Anton Webern und Andreae Szervánszky, dem die kurze liturgische Feier wie ein Miniaturrequiem »in memoriam« zugeeignet ist. Kurtág verbindet Musik von Anton Webern, teils in notengetreuen Zitaten, teils fantasieartig paraphrasiert, mit dem C-Dur einer Streicherserenade Szervánszkys, die im letzten Satz, »Arioso interrotto«, unvermittelt abreißt.

Auch das letzte Werk der dem Verleger Alfred Schlee gewidmeten Reihe Aus der Ferne lässt sich als »Pocket Requiem« deuten. Es entstand 1999 nach dem Tod des Freundes. »Öd und traurig«, mit trockenen Pizzikati repetiert das Cello zu Beginn den Ton es, den Anfangsbuchstaben des Nachnamens. Sforzato-Aufschreie und zwei Takte im Fortissimo schildern den Schmerz über den Verlust.

Aus der anschließenden Ruhe löst sich eine Himmelfahrt in F-Dur, mit der sich Aus der Ferne V in der Stille verliert. Kurtág arbeitet häufig mit Nah- und Fernwirkungen. Viele seiner Sätze sind mit »Lontano« überschrieben oder »wie aus der Ferne« zu spielen.

In Hommage à Jacob Obrecht klingen die schnell dahinhuschenden, metall-gedämpften Einschübe, als wäre eine musikalische Erinnerung im Schnelldurchlauf zu hören. Auch der entrückte Klang des jüngsten Quartetts Arioso entsteht durch mechanische Filterung. Die zwei Versionen dieser Aufnahme gingen aus Experimenten mit Metall- und Holzdämpfern hervor, die György Kurtág beide für gültig erklärt hat.

Die 2005 entstandenen 6 Moments musicaux schlagen mit ihren sechs Sätzen und der Erinnerung an das Vogelstimmen-Scherzo den Bogen über fast ein halbes Jahrhundert zurück zu Opus 1. Das Modell für die formale Anlage liefert nun aber nicht mehr Bartók, sondern Franz Schuberts Moments musicaux. Hier wie dort stehen die rascheren Sätze an dritter und fünfter Stelle.

Gemeinsam ist den Schwesterwerken auch die Hommage an Johann Sebastian Bach im jeweils vierten Satz. György Kurtág erinnert mit der Tonfolge B-A-C-H an seinen verstorbenen Pianisten-Freund György Sebök und ihre gemeinsame Bach-Bewunderung. Der Schlusssatz verweist auf Ludwig van Beethovens programmatische Abschiedssonate Les Adieux. Darin wiederum hallt das Stierhorn aus Wagners Die Meistersinger von Nürnberg in einem Aufschrei der Violine nach.

Darüber hinaus reichen die Reminiszenzen an eigene Kompositionen in den 6 Moments musicaux ungewöhnlich weit zurück. Der zweite Satz, »footfalls«, mit seinem stockenden Herzschlag ist die Bearbeitung eines Satzes aus der Suite für Klavier von 1943, »meine erste Komposition, zu der ich immer mehr stehen kann«. Es sieht aus, als gäbe es in Kurtágs Kosmos kein Vorher und Nachher, nur lose Enden, die darauf warten, verbunden zu werden.

Martina Seeber

Programm:

[01] Arioso – Hommage à Walter Levin 85, in Alban Bergs Manier (2009)* 03:09
Adagio (wooden mutes)

6 Moments musicaux op. 44 for string quartet (2005) – à mon fils 14:33
[02] I Invocatio [un fragment]. Con moto, passionato 01:23
[03] II Footfalls…– …mintha valaki jönne… Molto sostenuto 02:38
[04] III Capriccio. Ben ritmato 01:29
[05] IV In memoriam György Sebök. Mesto, pesante 03:27
[06] V … rappel des oiseaux … [l‘étude pour les harmoniques]. Léger, tendre, volatil – à Tabea Zimmermann 02:37
[07] VI Les Adieux [in Janáeks Manier]. Parlando, rubato 02:51

[08] Hommage à Jacob Obrecht (2004/2005) Sostenuto – Dedicated to János Bali * 04:29

Officium breve in memoriam Andreae Szervánszky op. 28 for string quartet (1988/1989) 12:28
Dedicated to Wilfried Brennecke
[09] I Largo 00:33
[10] II Più andante 00:38
[11] III Sostenuto, quasi giusto 00:37
[12] IV Grave, molto sostenuto 00:34
[13] V (Fantasie über die Harmonien des Webern-Kanons). Presto 00:43
[14] VI (Canon a 4). Molto agitato 00:17
[15] VII Canon a 2 (frei nach op. 31/VI von Webern). Sehr fließend 00:34
[16] VIII Lento 00:36
[17] IX Largo 00:52
[18] X [Webern: Canon a 4 (op. 31/VI)]. Sehr fließend 00:27
[19] Xa A tempo (X Da Capo al fine) 00:57
[20] XI Sostenuto 02:04
[21] XII Sostenuto, quasi giusto 00:39
[22] XIII Sostenuto, con slancio 00:53
[23] XIV Disperato, vivo 00:49
[24] XV Arioso interrotto (di Endre Szervánszky). Larghetto 01:13

[25] Aus der Ferne V for string quartet (1999) Alfred Schlee in memoriam* 02:58
Öd und traurig – Dedicated to the Arditti Quartet

Hommage à Mihály András 12 Mikroludien für Streichquartett op. 13 (1977/1978) 11:12
Dedicated to the city of Witten
[26] I 00:48
[27] II (quasi allegretto) 00:24
[28] III 00:33
[29] IV Presto 00:15
[30] V Lontano, calmo, appena sentito 02:30
[31] VI 01:23
[32] VII 00:40
[33] VIII Con slancio 00:22
[34] IX 00:55
[35] X Molto agitato 00:32
[36] XI 01:45
[37] XII Leggiero, con moto, non dolce 00:48

[38] Aus der Ferne III for string quartet (1991) 02:55
For the 90th birthday of Alfred Schlee

String Quartet op. 1 (1959) – Dedicated to Marianne Stein 14:27
[39] I Poco agitato 01:16
[40] II Con moto 01:50
[41] III (Variationen) 03:09
[42] IV Con spirito 01:57
[43] V Molto ostinato 02:10
[44] VI Adagio 03:58

[45] Arioso – Hommage à Walter Levin 85, in Alban Bergs Manier (2009)* 03:02
Adagio (metallic mutes)

total time: 70:18

Athena Quartett
Saskia Viersen, violin 1 · Margherita Biederbick, violin 2
Miriam Götting, viola · Hannah Klein, viola [02–07] · Kathrin Bogensberger, violoncello

* World Premiere Recordings

Pressestimmen:


6/2011

 


25.10.2011

 


21.10.2011

This important SACD from NEOS of all of the works by György Kurtág for string quartet, which is not the same as all of Kurtág’s String Quartets (in fact only one is so named) is superbly played by the Athena Quartet with Hanna Klein’s second viola in the Six Moments musicaux. These are typical of the pared-down, refined, concentrated world in which Kurtág felt so at home and in which he picked up the influence of Webern, albeit a rougher, more ragged, impromptu Webern. Together with the other seven works on this SACD (half of which are world première recordings), these short works are played with panache, spontaneity and a real sense of presence (yet they are all studio recordings). In the Moments musicaux with the allusion to composers such as Beethoven and Schubert from the Classical period another trait of Kurtág’s is evident: a recollection of the past. It’s not so much a memory, still less a veneration, of earlier music. More an expressionistic and highly exposed exercise in absorbing the past.

Although Kurtág’s music is full of respect. It’s not iconoclastic; nor does it consciously seek to adapt anything which has influenced him. Rather, it aims – often with an overt and potentially painful effort – to render whole what might otherwise be fragmented because of its influences. In the case, for example, of the eleventh, sostenuto movement from the Officium breve in memoriam Andreae Szervánszky, Op. 28 [tr.20], the rawest of sounds from the mid strings in particular is produced unashamedly… the unadorned essence of the violin’s lower notes and those of the viola. It’s as though the genuineness of that sound (the Athenas are miked closely in these recordings) constitutes a reality that reflects the common factors possessed by all other instances of the instrument(s) in question. Rather like Beethoven’s solo strings and Schubert’s piano.

Kurtág also aims for speech-like feelings; for the rhythms and phraseology of human utterance. Another reference to something outside the music. Just as the Homage à Mihály András [tr.s 26-37] acknowledges not only earlier music of Kurtág’s; but also that of Bach and Bartòk. None of what we hear on this stimulating and exciting CD, though, is in any way derivative, or “secondary”. Indeed, it’s all highly original and creative music. What’s more, the Athenas (Germany-based, formed in 1999) have the gift of playing it as though the composer were at their collective elbow so real, immediate and alive yet striking is their thorough control of tempi, texture and timbre.

Their fearless approach to the slow movements in these pieces (which is the majority, is has to be noted) indicates a span of technique that better than reproduces – is recreates – the tension between calm and anxiety which surely lies at the heart of Kurtág’s string writing. The plaintiveness is not that of Shostakovich. The calm not that of Sibelius. Yet there is an analogous disparity between the open, the spacious, the free on the one hand; and the claustrophobic, the obsessive and the neurotic on the other. This could all too easily run away with less experienced and committed players: all the scope for taking some of the music’s “determination” as mere effect is there. Yet in fact the Athenas approach such pieces as the two Aus der Ferne (III and V) with an almost tender, colorful care.

Indeed, much of Kurtág’s music is so vivid and sinuous (the two Berg-inspired Arioso – Homage à Walter Levin 85 [tr.s 1,45], for instance) that it’s almost as visual as it is verbal. Again, it’s to the credit of the Athenas that this is such a vivid, clean and meaningful juxtaposition of sound and ideas. Above all, these are performances which do more than reproduce a searing regretfulness of the sort in which, say, Gubaidulina is so practiced. Still less do they merely acknowledge implicitly that loss and despair can be the strong forces which they can. It was surely Kurtág’s intention to recreate these (and other often very basic) emotions in his music. It needs performers who can rebuild and present that recreation. Kurtág has found them in the Athena Quartet (Saskia Viersen, violin; Margherita Biderbick, violin; Miriam Götting, viola; and Kathrin Bogensberger, cello).

The acoustic, then, is painstakingly well-suited to the import of this intimate and invasive music. There is little extraneous atmosphere. The result is that the listener’s experience seems to have been personalized. The booklet accompanying the SACD is informative and explains the context of the composer as experimentalist and architect well. Even were these not virtually the only available recordings of these works (there are two recordings of each of the Officium breve and Aus der Ferne III as well as those and the Homage à Mihály András and String Quartet Opus 1 by the Keller String Quartet on ECM 1598), they could be recommended for aficionados of Kurtág immediately. And ought to be given a try for anyone interested in the more original paths down which contemporary string writing leads us.

Copyright © 2011, Mark Sealey.

http://www.classical.net/music/recs/reviews/n/neo11033a.php

 


05/2011

 


05/2011

 

 


09/2011

Auszeichnungen & Erwähnungen:


25.10.2011

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