Giacinto Scelsi: musica viva vol.17

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Artikelnummer: NEOS 10722 Kategorie:
Veröffentlicht am: April 8, 2008

Infotext:

Volume 17 der MUSICA VIVA-Reihe,  die NEOS in exklusiver Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunksinfonieorchester erarbeitet: Vier schwergewichtige Werke des italienischen Komponisten-Sonderlings aus La Spezia, die bisher im Katalog nicht in ausreichender Qualität vertreten sind.

Scelsi – er starb am 9. August 1988 in Rom – kann man nach wie vor als Entdeckung feiern: In Italien immer noch eher unbeachtet – in Salzburg 2008 als „Kontinent“ innerhalb der Festspiele hervorgehoben – in Deutschland von Anfang an und zunehmend stärker als tiefgründige Komponistenpersönlichkeit geschätzt. Es ist viel gemunkelt worden um die Echtheit und Identität seiner Werke und ihres Schöpfers selbst.

Tatsache ist, dass die hier vorgestellten Stücke starken Eindruck machen und eine eigentümliche Sogwirkung entwickeln. Vielleicht sollte man als Hörer mit Hymnos beginnen, einem Lobgesang von nur einer Länge von zwölf Minuten – einem der grandiosesten Einzelsätze aus der Feder Scelsis!

Programm:

Chukrum (1963) für großes Streichorchester
[01] 05:12 I

[02] 03:18 II
[03] 02:24 III
[04] 04:49 IV

Quattro Pezzi (1959) für Orchester
[05] 02:50 I
[06] 05:06 II

[07] 04:48 III
[08] 04:57 IV

[09] 13:30 Natura renovatur (1967) für elf Streicher

[10] 12:05 Hymnos (1963) für Orgel und zwei Orchestergruppen

gesamt: 60:01

Elisabeth Zawadke, Orgel
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Peter Rundel, Dirigent
Hans Zender, Dirigent

Pressestimmen:

Scherzo 12/2008

 


16.11.2008

In den Klang hineinlauschen

Interpretation: 
Klangqualität: 
Repertoirewert: 
Booklet: 

Es ist schon häufig erzählt worden und gehört mittlerweile zu den großen Erzählungen der neueren Musikgeschichte: dass der Italiener Giacinto Scelsi (1905-1988), als er Ende der 1950er-Jahre nach krisenhaften Zusammenbrüchen und nach Hinwendung zu ostasiatischer Philosophie ein musikalisches Ausdruckskonzept entwickelte, das aus der Konzentration auf den einzelnen Ton resultierte. Wie man diesen ‚Ursprungsmythos’ und den Umstand, dass Scelsi seine Werke durch Titelgebung und Kommentare häufig mit dem Nimbus des Enigmatischen versah, auch deuten mag: Tatsache ist, dass er mit den entsprechenden Kompositionen der Entwicklung um etliche Jahrzehnte vorauseilte. Unbemerkt und unberührt von Strömungen und Schulen entwickelte er eine Konzeption, die sich andernorts erst während der Achtziger- und Neunzigerjahre herauskristallisierte und dem Schaffen des Italieners daher gegen Ende von dessen Leben zu immenser Aufmerksamkeit verhalf.

Scelsi fasst den Ton als Klang auf, als Summe von Obertönen, so dass sich seine Musik aus dem Zusammenwirken von Dynamik, Rhythmik und unterschiedlichen Obertonverhältnissen (im Sinne von Klangfarben) generiert. Was sonst bei der Tonproduktion bloß mitschwingt, wird in Scelsis Werken nach außen gekehrt und bestimmt daher die Erscheinungsweise der Musik. Dies hat auch bedeutsame Konsequenzen für den Zeitverlauf einer Komposition, denn das genaue Fokussieren auf bestimmte Eigenschaften von Klängen erfordert Zeit, ist nicht mit einem gerichteten Entwicklungsprozess zu fassen, sondern entfaltet sich auf Grundlage jener Bedingungen, die jeweils als Ausgangspunkt eines Werkes gewählt wurden.

Anhand der hier eingespielten Kompositionen lässt sich vor allem nachvollziehen, was an Scelsis Musik so aufregend ist: Bei der ersten Berührung bietet sie dem Hörer keinerlei Anhaltspunkte, ist nicht über affektive oder stilistische Muster aus anderer Musik zu fassen, sondern erfordert einen regelrecht intuitiven Zugang über die Wahrnehmung des Klangs und seiner ständigen Veränderungen. Am besten ist es, die vorliegende CD des Labels NEOS aus der Reihe ‚Musica viva’ einfach nur auf sich wirken zu lassen: zu hören, wie sich die Musik von den Einzeltönen wegbewegt, wie sie die einmal gesetzte Zentraltönigkeit allmählich einfärbt, durch mikrointervallische Abstufungen einen Raum öffnet, der sich als harmonische Tiefenstruktur empfinden lässt, die dann immer anders ausgeleuchtet wird, dabei jeweils andere Farbwerte in den Vordergrund stellend.
Vier Werke für unterschiedliche Orchesterbesetzungen erklingen hier, gespielt vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Peter Rundel und Hans Zender. Insbesondere Zenders Interpretationen merkt man die lange und tiefgehende Beschäftigung mit der Klangwelt des Italieners an. Gerade die ‚Quattro pezzi (su una nota sola)’ (1959), die zu den frühesten Kompositionen gehören, in denen der Komponist seine neue Klangvorstellung umgesetzt hat, zeichnen sich durch eine feine, dynamisch sehr differenzierte Umsetzung aus. Das vierteilige ‚Chukrum’ für großes Streichorchester (1963) – als einziges Werk unter der Leitung von Peter Rundel eingespielt – fesselt mit vielfach gestaffelten Streicherklangfarben und gleichsam irisierenden Farbsträngen, mit denen Scelsi die harmonischen Räume gestaltet. Die Komposition ‚Natura renovatur’ für elf Streicher (1967) zeigt darüber hinaus, wie der Komponist in der Beschränkung auf eine kleinere Streicherbesetzung gar noch sublimere Wirkungen erzeugt.

Faszinierend ist schließlich auch die klangliche Entgegensetzung von Orgel (gespielt von Elisabeth Zawadke) und Orchestergruppen im ‚Hymnos’ (1963), der mit gewaltigen Klangsteigerungen und kraftvollen Massierungen, aber auch mit feinen, fast zärtlichen Passagen aufwartet: Hier bewegen sich die Klänge im Raum und treten aufgrund der zweichörigen Anlage miteinander in Wechselwirkung. Für Hörer, die sich mit Scelsis Komponieren vertraut machen möchten, bietet die CD insgesamt einen sehr guten Einstieg. Auch wenn man berücksichtigt, dass einzelne Kompositionen schon im Rahmen anderer Produktionen zu hören waren, ist hier aufgrund der überlegten Werkauswahl ein vielschichtiges Porträt des Orchesterkomponisten Scelsi geglückt. Die exzellente Klangqualität und die Leistungen des Orchesters, das in diesen Live-Mitschnitten besonders spannungsvoll und erstaunlich souverän wirkt, machen die Produktion zu einem rundum gelungenen Erlebnis.

Dr. Stefan Drees

 

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