Elliott Sharp: Tectonics – ERRATA

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Artikelnummer: NEOS 40702 Kategorie:
Veröffentlicht am: August 30, 2007

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Elliott Sharp: Tectonics – ERRATA

Als Kind faszinierte mich alles, was futuristisch und elektronisch war. Mein Tectonics-Projekt hat hier vielleicht seine Wurzeln. Ich las von klein auf Science-Fiction-Bücher und hatte vor, Wissenschaftler zu werden. Wer in den fünfziger Jahren in den USA aufwuchs, auf den donnerte permanent und gewissenlos die Propaganda vom »wissenschaftlichen Fortschritt« ein. Mein Vater konstruierte Mikrofone und Lautsprecher, sie waren mir also täglich vor Augen.

Auch Musik war immer präsent: klassischer Klavierunterricht – da bin ich fast dran gestorben –, später klassische Klarinette. Meine Klarinette verstärkte ich dann mit selbstgebauten Fuzzbox-Verzerrern, und so ausgestattet spielte ich, bei ersten Band-Auftritten, Jeff-Beck-Solos.

1968, mit siebzehn, kam ich mit einem Stipendium der National Science Foundation an die Carnegie-Mellon University Pittsburgh, um an Schaltsystemen für ein Projekt namens Spelltalk zu arbeiten (dabei wurden die Klangkurven von Phonemen auf Filme aufgezeichnet; eine opto-elektronische Vorrichtung »las« sie und übersetzte sie in sprachähnliche Klänge).

Einen Großteil meiner Zeit verbrachte ich in der Werkstatt, machte Experimente auf einem siebenspurigen Ampex-Tonband und bastelte Fuzz-Boxen und Ringmodulatoren für die elektrische Gitarre, die ich mir gerade zugelegt hatte. Jede Nacht, zwischen Mitternacht und 4 Uhr früh, arbeitete ich als DJ für den Radiosender der Hochschule, WRCT. Dank der gut bestückten Bibliothek, die ich dort fand, konnte ich meinen musikalischen Horizont über Jimi Hendrix und Country-Blues hinaus erweitern, in Richtung Xenakis, Gamelan, Stockhausen, Indien, John Coltrane, Ba-Benjelle-Pygmäen, Ornette Coleman, Ligeti, Korea, Harry Partch, Albert Ayler und noch viel viel mehr.

Als dann der Vietnamkrieg tobte und ein großer Teil der wissenschaftlichen Forschung in die Einflusssphäre des Verteidigungsministeriums driftete, wusste ich: Meine Berufung würde die Musik sein. Während ich an der Universität von Cornell Anthropologie studierte, hörte ich Robert Moogs Vorlesungen über synthetische Klangerzeugung und spielte in verschiedenen Psychedelic-Bands und Free-Jazz-Formationen.

Am Bard College und im weiterführenden Studium an der University of Buffalo arbeitete ich mit EML- und Moog-Synthesizern und der Programmiersprache Music IV. Ich fing an, Projekte zu entwickeln, in denen ich Analog-Sequenzer und synthetisches Schlagzeug kombinierte. Dazu mischte ich Improvisationen auf Gitarren und Klarinetten/Saxophonen: hier konnte ich besondere Spieltechniken anwenden und den Klang dann noch mit Modulatoren, Filtern und Echo-Effekten weiterverarbeiten.

Über diese Versuche kam ich auch dazu, neue Instrumente zu bauen: Slabs, Pantars und Violinoide, Gitarren ohne Bünde mit doppeltem Hals und achtsaitige Bassgitarren mit erweitertem Tonumfang. Im konzeptuellen Bereich habe ich für meine Musik die Chaostheorie und fraktale Geometrie in Anspruch genommen, algorithmische Versuche, Phänomene der Akustik – alles unter der Rubrik »Ir/Rationale Musik«.

Bei meiner Ankunft in New York City 1979 begann ich, in Szenelokale wie Mudd Club, Tier 3 und Danceteria einzutauchen. Ich lebte quasi mit dem einen Ohr in einer avantgardistisch-formalistischen Welt und mit dem anderen in einer seltsamen Mischung aus No-Wave-Punkrock und dem, was ich in Latenight-Danceclubs hörte. 1986, als man problemlos an einen Atari-ST-Computer und M-Software herankam, dachte ich mir mein Projekt Virtual Stance aus. Ich wollte grelle, schroffe Klanglandschaften kreieren, mit polyrhythmischen Synthesizer-Grooves, die stark an Techno erinnern.

Bei Aufführungen von Virtual Stance kombinierte ich damals die live-elektronische Verarbeitung von Samples und Sequenzen mit einer MIDI-gestützten Bearbeitung meines Gitarren-, Saxophon- und Klarinettenspiels. Dokumentiert ist das auf der LP Virtual Stance (Ear-rational, 1988). Die zweite Folge von Virtual Stance hieß Looppool (Ear-rational, 1988); sie bewegt sich gedanklich weiter in Rich-tung verfremdete Tanzrhythmen, außerirdische Atmosphäre und freie Improvisation. 1989 integrierte ich in mein Geräte-System den Buchla Thunder, der es mir erlaubt, den Klang in Echtzeit massiv zu bearbeiten, und zwar buchstäblich mit den Fingerspitzen.

1994 bekam das Projekt einen neuen Namen: Tectonics. Und, noch wichtiger, ich wechselte zu einem Apple-Rechner, der kleiner ist und mehr Leistung bringt. Die erste Tectonics-CD kam 1994 beim Label Atonal heraus. Der Bassist der Rollins Band, Melvin Gibbs, und die Vokalisten Dorit Chrysler und KJ Grant präsentierten sich hier mit aggressiven Elektro-Rhythmen und einem futuristischen, extrem schnellen Dub-Reggae.

Das Projekt entfaltete sich weiter, und eine zweite Einspielung, Field & Stream (Atonal & Knitting Factory, 1996) bezog Jungle-Rhythmen und -Techniken ein, obwohl das Ausgangsmaterial, das ich benutzte, sehr weit von den typischen Breakbeats entfernt war. Bei den Live-Konzerten kam die achtsaitige Bassgitarre zum Einsatz, dazu diverse elektronisch adaptierte Blechblasinstrumente, und ein Powerbook mit den Programmen M und Cubase (später LiSa und Max / MSP).

Die dritte Tectonics-CD, Errata (erstveröffentlicht bei Knitting Factory, 1998) wühlt sich tief hinein in Chaos- und Glitch-Musik, verzerrte Klangfarben und irrsinnig verdrehte Rhythmen. Aufführungen von Tectonics gab es bisher in Berlin, Tokio, Paris, Peking, Brüssel, Lyon, Zürich, Kyoto, Ljubljana, Bern, Wien und Manaus (im brasilianischen Bundesstaat Amazonas).

Elliott Sharp
Übersetzung: Michael Herrschel

Programm:

Elliott Sharp Edition Vol. 1

ERRATA

[01] 03:57 spliny thicket
[02] 04:06 in tongues

[03] 06:02 city of sand
[04] 05:04 which delta
[05] 07:24 calle siete
[06] 05:21 hotfoot

[07] 05:30 noospheric
[08] 05:28 goomy
[09] 04:57 kargyraa
[10] 07:06 errataka

total time 54:55

Composed and performed by Elliott Sharp

Instruments: 8-string guitarbass, console steel guitar, bass clarinet,
tenor and soprano saxophones, analog and digital synthesizers,
drum programming and processing
Recorded at Studio zOaR New York City, 1998
Thanks to Janene, Kurt Ralske, Lennart Staehle

Published by zOaR – BMI – 1999
www.elliottsharp.com

Pressestimmen:


03/2008


11-12/2007

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