David Moliner: Physical Sound

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Artikelnummer: NEOS 12124 Kategorie:
Veröffentlicht am: Dezember 2, 2021

Infotext:

DAVID MOLINER ∙ KÖRPERLICHER KLANG

»Die Begegnung mit der Musik von David Moliner während der Vorbereitung dieser CD war für mich eine wirklich angenehme Überraschung. Ich entdeckte einen Künstler, der die Beherrschung seines Metiers mit einem Gespür für Klang und einem kommunikativen parlando verbindet, um seiner Musik Ausdruck zu verleihen.«
(Fabián Panisello)

Schon bei meinem ersten Treffen mit David Moliner im Jahr 2019 tauchte ein Wort auf, das all das impliziert, was der spanische Dichter José Ángel Valente kurz vor seinem Tod in Palabra y Materia forderte: Ausdruck. Ohne Ausdruck ist Moliners Klangwelt nicht denkbar, sie entsteht unmittelbar aus ihm. Klang wird zu einer Erfahrung der Sinne, sowohl für den Interpreten als auch für den Hörer. Klang wird durch die Expressivität des Körpers in Materie verwandelt, in einer Art »perfekten Melos« des klassischen Griechenlands, der Vereinigung von Instrument und Stimme. Klang, Handeln und Denken werden zu einer Einheit. Zweifellos gewinnt Moliner diese Vereinigung der Sinne aus der Vergänglichkeit der Klänge von Perkussionsinstrumenten und aus seiner Beschäftigung mit der Musik von Xenakis, einem Komponisten, der sich in seinem Werk der Erforschung von Rhythmen widmete. Vielleicht ist es genau das, was die Stücke dieser CD miteinander verbindet: die Umwandlung von Klang in Materie.

In der Fantasie um das Klavier für präpariertes Klavier sind sowohl die Schläge mit der Hand auf die Klaviertastatur als auch die Pedalgeräusche Teil eines Ganzen, in dem das aufmerksame Ohr zwischen Metrum und Puls des musikalischen Diskurses unterscheiden kann. Man kann dieses Stück nicht hören, ohne an John Cage zu denken, der den Begriff »prepared piano« geprägt hat, aber auch an die ungarischen Komponisten Béla Bartók und György Ligeti und ihren bedeutenden Beitrag zum Klavier als Perkussionsinstrument wird man sich erinnern.

Das Duo Was koordiniert ist! Ist nicht koordiniert… (Zwei kleine Vögel) für Saxophon und Flöte basiert auf dem Freud’schen Konzept des Kampfes zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewusstsein. Der Körper repräsentiert das Unbewusstsein, in diesem Fall durch die »Kicks«, die unbeabsichtigten Bewegungen des Fußes. Das Unbewusstsein siegt über das Bewusstsein, das von den Trillern der Flöte und des Saxophons dargestellt wird, die das Trillern zweier trauriger Vögel imitieren. Der Kampf zwischen dem Klang der raschen Figurationen der beiden Blasinstrumente und den Stößen der Füße geht zugunsten der letzteren aus. In den letzten 15 Sekunden des Duetts stürzen die Interpreten auf den Boden, der Fuß vernichtet das Bewusstsein.

Das Trio Der Klang der Erde ist eine Komposition für Fagott, Cello und Perkussion, in der sich die Instrumente vermischen und zu einem »Superinstrument« verbinden, mit dem Moliner die Luft modulieren und das Terrain harmonischer Klänge und der Stimme als theatralischer Ausdruck erforschen will, das bereits erwähnte »perfekte Melos«, das auch Wagners Vorstellung von einem Gesamtkunstwerk zugrunde liegt. Der Einfluss von Morton Feldman ist ebenfalls offensichtlich, wie auch die Forderung von José Ángel Valente, über das Wort hinauszugehen, es in Materie zu verwandeln.

Emotion ist die Grundlage des Streichquartetts III mit dem Titel Eindringlicher Satz. Dieser eindringliche Satz ist Ausdruck einer fortwährenden Spannung, die nicht aufgelöst wird. David Moliner komponierte dieses Werk während des Corona-bedingten Lockdowns im Jahr 2020. Ruhelosigkeit ist der Fluchtweg zu neuen Horizonten, eine Flucht aus einer unerwünschten Reali-tät in einem Taumel der Emotionen. Die Flucht endet mit harmonischen Klängen der Streichinstrumente – durchsetzt mit dem Pfeifen einer menschlichen Stimme –, die die Streicherklänge abrupt unterbrechen.

Das Ensemblewerk Estructura I “…eros sur le bleu” entsteht aus der Schönheit der Farbe Blau, eine poetische Vorstellung, die ihren Ausdruck in sehr klangvollen Akkorden findet, die an Gustav Mahlers Titan-Symphonie oder an Arnold Schönbergs Farben-Akkord erinnert. Ein weiterer Einfluss ist Morton Feldmans Umgang mit Klangfarben in Coptic LightEstructura I ist eine semantische Metapher, in der die Farbe Blau aus einer theatralischen Perspektive begriffen wird, wie ein Gemälde, das aus seinem Rahmen ausbrechen will, ein klingendes »trompe l’œil«. David Moliner lässt die Interpreten pfeifen und wispern, um diese Theatralität zu erreichen.

Jedes der vier Solos ist einem anderen Perkussionsinstrument gewidmet: Vibraphon, Marimba, Body-Percusssion und Snare Drum. Die Vergänglichkeit und Unfassbarkeit der perkussiven Klänge regten David Moliner dazu an, mit Klangverdichtungen zu arbeiten, die eine Übererregung der Sinne bewirken. Nach der Erforschung des Körpers in Solo III wird in Solo IV die Stimme des Komponisten hinzugefügt, die den folgenden spanischen Text rezitiert: »Un deseo cruza mi interior y mi mente se convierte en susurro. En el fondo de mi hechizado ardor habita una corriente de humana muerte. ¡Quién soy yo para creer semejante negror! ¿Dónde habita mi cordura? No existe carta alguna más que la humana suerte. En el fondo permanece inerte sin gana alguna de hablar. ¡Y mil llamas quemarán mi flujo y mil llamas lo volverán a quemar hasta que los ciervos se escondan en un orgasmo frío y sin pecar!« (David Moliner) [»Ein Verlangen durchdringt mein Inneres und mein Geist wird zu einem Flüstern. In den Tiefen meiner verzauberten Leidenschaft liegt ein Strom menschlichen Todes. Wer bin ich, dass ich an solch eine Finsternis glaube? Wo wohnt meine Vernunft? Es gibt keinen vorgezeigten Weg, nur das menschliche Schicksal. Tief im Inneren bleibt es träge, ohne sprechen zu wollen. Und tausend Flammen werden meinen Strom verbrennen, und tausend Flammen werden ihn wieder verbrennen, bis die Hirsche sich in einem kalten, sündenlosen Orgasmus verbergen!«]

In einer seiner zahlreichen Scholien stellte der kolumbianische Philosoph Nicolás Gómez Dávila die Behauptung auf, dass »die Wirkung eines einzigen Verses ausreicht, um den Schutt explodieren zu lassen, in dem die Seele verscharrt ist«. Die Essenz von David Moliners Werk ist, wie wir dargestellt haben, der volle Ausdruck. Damit versucht er, eine Wirkung zu erzielen, den klingenden Vers zu schmieden, der die Seele berührt – die des Interpreten wie die des Hörers.

Michael Thallium
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Steffens

Programm:

David Moliner (*1991)

[01] Fantasie um das Klavier für präpariertes Klavier (2012, rev. 2020) 06:27

[02] Solo I “écho perpétuel d’un F pure…” für Vibraphon Solo (2016) 04:02

[03] Was koordiniert ist! Ist nicht koordiniert… (Zwei kleine Vögel) Duo für Flöte und Sopransaxophon (2015) 07:47

[04] Solo II “écho fluctuant d’un D sensuel…” für Marimba Solo (2017) 02:13

[05] Trio “Der Klang der Erde” für Fagott, Violoncello und Schlagzeug (2015) 06:24

[06] Solo III “points de pénétration du t]k]” für Body-Percussion (2018) 02:00

[07] Eindringlicher Satz (String Quartet III) (2020) 08:30

[08] Solo IV “…flux orgasmique de désir…” für Snare Drum (2020) 04:15

[09] Estructura I “…eros sur le bleu” für Ensemble (2016) 09:39

Gesamtspielzeit: 51:24

 

David Moliner percussion

PluralEnsemble
Lope Morales, flute ∙ Álberto Esteve, oboe ∙ Antonio Lapaz, clarinet ∙ Andrés Gomis, saxophone
Álvaro Prieto, bassoon ∙ Duncan Gifford, piano ∙ Juan Luís Gallego, violin I ∙ Erica Ramallo, violin II
Ana María Alonso, viola ∙ Mikolaj Konopelski, cello

Fabián Panisello conductor
World premiere recordings

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