Alexandre Glazounov, Nicola LeFanu, Krzysztof Meyer: Saxophone Concertos

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Artikelnummer: NEOS 10910 Kategorie:
Veröffentlicht am: März 12, 2012

Infotext:

Glasunow – LeFanu – Meyer · Saxophonkonzerte

Alexander Glasunow · Konzert für Altsaxophon und Streichorchester (1934)

Der große russische Romantiker Alexander Glasunow (1865–1936) lebte quasi als Flüchtling in der Nähe von Paris, als ihn mein Lehrer Sigurd Rascher am 15. Dezember 1933 bat, ein Saxophonkonzert zu schreiben. Rascher hatte am Abend zuvor eine Aufführung von Glasunows Saxophonquartett op. 109 gehört und war sicher, dass der Meister sich für sein Spiel interessieren würde. Glasunow hingegen erwartete nicht, enthusiastisch zu sein: »Junger Mann, ich kenne das Saxophon seit mehr als 50 Jahren!« erklärte er, als Rascher ihn ansprach. Als er jedoch Raschers außergewöhnliches Spiel hörte, rief er begeistert: »Ja, für solch einen Musiker werde ich ein Konzert schreiben!« Durch die politische Situation und seine Verpflichtungen am Konservatorium von St. Petersburg abgelenkt, war Glasunow in den vergangenen Jahren nicht viel zum Komponieren gekommen. Umso erstaunlicher war deshalb seine spontane Entscheidung, ein größeres Werk zu schreiben.

Wenige Wochen später erhielt Rascher in Kopenhagen – wo er von 1933 bis 1938 im Exil lebte – die Nachricht, dass das Konzert fast fertig sei. Bald darauf machte er sich erneut auf den Weg nach Paris, um die letzten Details mit dem Komponisten zu besprechen, unter anderem sich über die Tempi und eine neue Kadenz einig zu werden. Die Uraufführung fand am 26. November 1934 in Nyköping (Schweden) mit dem Norrköping Sinfonieorchester unter Tord Brenner und Sigurd Rascher als Solist statt. Am nächsten Tag wurde Glasunows Konzert in Norrköping gleich wieder gespielt; diesmal stand zusätzlich die Uraufführung des Saxophonkonzerts von Lars-Erik Larsson auf dem Programm.
Glasunows Saxophonkonzert hat sich längst als das berühmteste Werk für Saxophon etabliert. Inzwischen ist es auch das meistgespielte Werk Glasunows, denn sein umfangreiches Œuvre ist weitgehend in Vergessenheit geraten.

Glasunow war weder Modernist noch ein modischer Komponist, sondern vielmehr ein treuer russischer Romantiker in der Tradition Rimsky-Korsakovs und – im edelsten Sinne – ein versierter Handwerker. Einst als größtes musikalisches Talent Russlands gerühmt, waren seine erstaunlichen musikalischen Fähigkeiten schon zu Lebzeiten Legende (siehe die zahlreichen Anmerkungen in Schostakowitschs ›Testament‹). Auch das Saxophonkonzert ist kein sehr progressives Werk, sondern eine wunderbare Präsentation des von Glasunow offensichtlich geliebten Saxophons. Für die Akzeptanz des Saxophons als Konzertinstrument tat Glasunow viel, und er gab diesem Instrument sein einziges wahrhaftig romantisches Konzert.

Dennoch war Glasunows Saxophonkonzert eine schwere Geburt. Weitgehend aus sozialpolitischen Gründen hatte er Probleme, einen Verleger für das Konzert zu finden, und er starb bevor die gedruckte Ausgabe korrigiert werden konnte. Demzufolge blieb die Ausgabe fehlerhaft und mit dubiosen Veränderungen, sowohl im Solopart wie auch im Orchester. Noch dazu wird das Saxophonkonzert als ›Op. 109‹ bezeichnet, obwohl Glasunow diesem – wie allen seinen letzten vier Kompositionen – keine Opuszahl gab. (›Op. 109‹ ist das Saxophonquartett). Zusätzlich finden sich in der Ausgabe mehrere auffallend falsche Noten und eine offensichtlich irrtümliche Metronomangabe. Außerdem wurde A. Petiot, ein Herausgeber bei Editions Leduc, in frühen Auflagen als ›Mit-Komponist‹ angegeben. Von dieser Absurdität konnte ich mich selbst überzeugen, da Sigurd Rascher mir Gelegenheit gab, das Werk von der vollständig handgeschriebenen Partitur Glasunows zu lernen, und nirgendwo taucht der Name A. Petiot auf. Nachweise liegen bislang nicht vor, doch der wahrscheinlichste Grund für dieses ›Spielchen‹ scheint ein rein urheberrechtlicher zu sein, besonders im Hinblick auf die weltpolitische Lage der Zeit.

Basierend auf Glasunows Manuskript habe ich die veröffentlichte Ausgabe in den Originalzustand zurückversetzt und diese für die vorliegende CD-Aufnahme verwendet. Im Konzert spielte Sigurd Rascher mit Glasunows Zustimmung seine eigene Kadenz, von der ich persönlich nie besonders angetan war. Rascher ermutigte mich, eine eigene zu schreiben, die hier auch gespielt wird.

Nicola LeFanu · Konzert für Altsaxophon und Streichorchester (1989)

Nicola LeFanu (geboren 1947) ist die Tochter der Komponistin Elisabeth Maconchy, einer Enkelin des legendären irischen viktorianischen Schriftstellers Sheridan LeFanu und eine ehemalige Studentin des Ausnahmekomponisten Egon Wellesz. Nach ihren Studien in Oxford, am Royal College of Music, Harvard und Brandeis, lebte Nicola LeFanu viele Jahre in London, wo sie am King’s College zusammen mit ihrem Ehemann, dem australischen Komponisten David Lumsdaine, unterrichtete. 1994–2008 war sie Leiterin der Musikabteilung und Professorin für Komposition an der Universität von York. Ihr umfangreiches Œuvre umfasst mehr als hundert Kompositionen – einschließlich sieben Opern – und wurde überall in der Welt aufgeführt. Trotz ihres Erfolgs bleibt für sie das Komponieren eher Leidenschaft als Beruf.

Auf meine Bitte hin hatte sie schon 1985 das bemerkenswerte Saxophonquartett Moon Over the Western Ridge, Mootwingee komponiert, als ich sie 1988 bat, für mich ein Saxophonkonzert zu schreiben. 1990 ergab sich eine günstige Gelegenheit für die Uraufführung mit dem fabelhaften finnischen Ostrobothnian Chamber Orchestra unter Juha Kangas, und es dauerte nicht mehr lange, bis das Konzert fertig wurde.

Über ihr magisches Vierteltonwerk schrieb Nicola LeFanu: »Mein Konzert für Saxophon besteht aus einem einzigen Satz und dauert ungefähr 20 Minuten. Seine charakteristische und ungewöhnliche Klangwelt ergibt sich aus seiner Virtuosität (besonders im Saxophon, aber auch in den Streichern) und den Vierteltönen, die sich durch das gesamte Stück ziehen. Das Konzert besitzt geballte Energie und Klangfarbe; es ist im Grunde ein lyrisches Werk, das viel mit Phantasie und Reflexion zu tun hat.

Das Werk ist auf einer Anzahl wiederkehrender Ideen aufgebaut, hat also eine entfernte Verwandtschaft mit der Ritornello-Form. Diese Ideen werden miteinander verbunden und vermischt, jedoch nie genau wiederholt; sie tauchen immer wieder verwandelt auf. Dies ist im kraftvollen Wiederauftreten der unisono Streichermusik leicht zu erkennen. Die chromatische Harmonie des Konzerts ist die modale Basis des Werkes. Sie zeigt sich in seinem ruhigen Zentrum und schimmert in der Coda erneut auf.

Wenn ich versuche, Bilder für mein Stück zu finden, dann denke ich an das Meer: turbulent, stürmisch, ruhig… Ich denke an einen dahinschwebenden Vogel oder eine Muschel, die wieder und wieder durch die Wogen hin- und hergeworfen wird, selbst durch die zarteste Welle, in einer sternenklaren Nacht.
Das Konzert wurde vom Ostrobothnian Chamber Orchestra in Auftrag gegeben und vom Arts Council of Great Britain finanziert. Es ist dem außergewöhnlichen Solisten John-Edward Kelly gewidmet.«

Krzysztof Meyer · Konzert für Altsaxophon und Streichorchester, op. 79 (1993)

Krzysztof Meyer (geboren 1943) wird für seine hochentwickelte musikalische Begabung, seine große künstlerische Integrität und sein vielseitiges Œuvre besonders geschätzt, dennoch bleibt seine Musik weitgehend ein Insider-Tipp. Trotz der zahlreichen internationalen Aufführungen seiner Werke und einer langen Liste von Bewunderern (darunter bekannte Instrumentalisten und auch berühmte Komponisten, wie z. B. sein enger Freund Witold Lutosławski) stand sein Schaffen viele Jahre im Schatten der bekannteren polnischen Avantgardisten. Dadurch ließ er sich jedoch nicht ablenken, sondern setzte die Entwicklung seiner ausdrucksstarken musikalischen Sprache weiter fort.

1943 als Sohn eines Arztes in Krakau geboren, führten ihn seine Studien letztendlich zur Kompositionsklasse von Stanisław Wiechowicz und Krzysztof Penderecki in Krakau sowie zu Nadia Boulanger in Paris. Er freundete sich mit Dmitri Schostakowitsch an, wurde ein bekannter Experte für dessen Musik und schrieb eine herausragende Schostakowitsch-Biographie. Schnell wurde er ein anerkannter und beliebter Pädagoge und nahm zuerst in Krakau und später an der Hochschule für Musik in Köln Professuren an. Er ist mit der polnischen Musikwissenschaftlerin Dr. Danuta Gwizdalanka verheiratet und lebt in Deutschland und Polen.

Das Konzert für Altsaxophon und Streichorchester wurde auf meinen Wunsch hin 1992–93 geschrieben. Das Werk besteht aus einem klagenden, dunklen langsamen Satz (›Quieto‹) und einem siebenteiligen, kontrastreich wirkenden schnellen Satz (›Inquieto‹). Ein berührend schöner Einsatz herber Dissonanzen – typisch für Meyers Musik – steht im Zentrum der melodischen und harmonischen Charakteristika beider Sätze. Ebenso typisch für Krzysztof Meyer ist der hohe Grad an Integration zwischen Soloinstrument und Orchester: Das Saxophon spielt durchweg die führende Rolle, bleibt jedoch stets eingebettet in die Fortführung des Ganzen. Das Orchester bleibt seinerseits ein immer essentieller Partner des Geschehens, es wird ihm niemals eine sekundäre Begleitungsrolle zugeteilt. Bemerkenswert ist der Gebrauch des Saxophons, insbesondere eine ungehinderte Virtuosität in den höchsten Registern.

bwohl das Konzert auf dem Weg zu seinem dramatischen Höhepunkt einen blendenden Eindruck macht, so ist es doch auch ein Werk, das in minutiöser Detailarbeit entstand. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Hörer der emotional geladenen Atmosphäre schenken, die durch Meyers ausdrucksstarke, harmonische Sprache moduliert wird, und ebenso den pantomimischen Gesten, die sich in den kleinsten melodischen Motiven äußern. Diese beiden Aspekte zählen zu den zentralen Bausteinen von Krzysztof Meyers spezieller musikalischer Welt.

Das Konzert für Altsaxophon und Streichorchester wurde am 12. Januar 1994 in Stuttgart mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter Heinrich Schiff uraufgeführt.

John-Edward Kelly
Januar 2012

Programm:

Alexandre Glazounov (1865–1936)

[01]  Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra (1934) 14:17
Cadenza: John-Edward Kelly

John-Edward Kelly, conductor & soloist

Nicola LeFanu (*1947)

[02] Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra (1989) * 23:43
Dedicated to John-Edward Kelly

Micha Hamel, conductor

Krzysztof Meyer (*1943)

Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra, op. 79 (1993) * 20:41
Dedicated to John-Edward Kelly

[03] I Quieto 11:40
[04] II Inquieto 09:01

Micha Hamel, conductor

total time 58:42

John-Edward Kelly, alto saxophone
Netherlands Radio Chamber Philharmonic
John-Edward Kelly & Micha Hamel, conductors

* World Premiere Recordings

Pressestimmen:


19.01.2013

Here at last is the recording for which John-Edward Kelly’s fans have been waiting for almost 12 years. Recorded in 2000 by the soon-to-be-defunct Emergo label, it has been waiting in legal limbo until NEOS was finally able to secure the rights to the recording. It is of particular interest for a number of reasons, not least for the recording of the Glazunov Concerto. This concerto is the most famous and most frequently played in the repertoire, so that seems an odd statement until one realizes that John-Edward Kelly was a student of Sigurd Raschèr, who in 1933 convinced the aging Glazunov to write the concerto for him. The serious works for the instrument were still few and Raschèr, having just heard Glazunov’s saxophone quartet, was determined to have a concerto by him. The composer initially resisted the commission, but was convinced by Raschèr’s extraordinary technique and sound. In his notes for this recording, Kelly quotes Glazunov as saying “Yes, for such a musician I will write a concerto!”

Kelly brings the same qualities of silky richness and unforced eloquence—which led Raschèr to choose Kelly to replace him in the Raschèr Saxophone Quartet in 1981—but goes further by returning to the original manuscript to correct the “many mistakes and dubious alterations in both the solo part and the orchestra.” Kelly provides his own cadenza, as he was encouraged to do by his teacher, rather than use Raschèr’s. He also conducts the performance himself, assuring that the concerto is heard as a dignified, reflective work of more than usual autumnal gentleness.

The two other items on the program present a marked contrast to the romantic Glazunov concerto. They are both contemporary works, dedicated to Kelly by two composers whom he has since championed as a conductor of the New York-based Arcos Orchestra, which he founded in 2005. Kelly has an ear for wellconstructed works, but these works challenge the ear where the Glazunov beguiles. Opening with a bold orchestral surge, English composer Nicola LeFanu’s single-movement Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra (1989) sets the alternatingly agitated and ruminative solo line against an often mysterious orchestral background that occasionally becomes energetic and aggressive. The essentially chromatic character of the music is made stranger by the use of quarter-tone bending of the line. LeFanu indulges in some mild extended techniques, mainly slap-tongue, but generally as punctuation for the predominantly and, as the work progresses, increasingly ethereal lyricism.

Polish composer Krzysztof Meyer’s Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra (1993) is a work of deeper emotions in two contrasting movements: the first dark and mournful, the second unsettled and dramatic in its contrasting sections. The saxophone functions often as an orchestral lead as much as a soloist, rising out of the string textures and interacting with the orchestra rather than contending with it in the classical sense of a concerto. Again, extended techniques—slap- and flutter-tongue—are used, but sparingly, often as an almost musing gesture. The harmonic language is often dissonant, but expressive.

John-Edward Kelly does not disappoint. The modern works are as skillfully realized as the more traditionally beautiful Glazunov. He draws a fluid, open tone from his 1928 instrument which was built to the original Adolphe Sax specifications. Legato is smoothly done, extended techniques are realized with taste, and the extensive altissimo of the Meyer concerto is accomplished with apparent ease. The Netherland Radio Chamber Philharmonic plays well under both the soloist and guest conductor Micha Hamel. A most welcome release.

Ronald E. Grames


18.06.2012

Alexander Glazounov’s (1865-1936) career as a composer and teacher spanned the transition from Romantic era to experimental modernity. As Director of the St. Petersburg (later the Leningrad) Conservatory from 1895-1928, he taught Miaskovsky and Prokofiev, but his compositions never moved beyond the Romantic Russian tradition. Taught by one of the great orchestrators, Rimsky-Korsakov, his works were brilliantly scored, and, unlike many Russian composers, mostly optimistic, but lacked the melodic fecundity that would compensate for his monochromic emotional landscape.

Glazounov’s Saxophone Concerto eschews any link to jazz; it’s a purely romantic work. The alto saxophone, with its mellifluous, dusky tone and the lush string accompaniment creates the perfect environment for a ‘50s cocktail lounge setting. There is a bouncy, spirited second section that provides tempo contrast, but the lack of bite is a significant drawback. Saxophonist John-Edward Kelly negotiates the musical challenges with verve and aplomb.

Listening to Nicola LeFanu’s (b. 1947) Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra (1989) after the Glazounov, is akin to experiencing a fresh autumn breeze at the end of a hot summer. LeFanu is the daughter of composer Elizabeth Maconchy, whose Symphony for Double String Orchestra, recorded on the Lyrita label, was an audiophile favorite in the 1990s. The quicksilver mood changes – frenetic, calm, eery, beautiful – make this an emotionally riveting work. The composer accurately describes her composition as “full of energy and color; essentially a lyrical piece concerned with fantasy and reflection.” Especially beautiful is the calm interlude of the middle section that expresses the nostalgic autumnal quality that the alto sax expresses so well. An ending solo cadenza exploits virtuosic possibilities that are flawlessly executed by John-Edward Kelly.

Krzysztof Meyer (b. 1943) is a relatively unknown member of the Polish avantgarde, who studied with Krzysztof Penderecki, Nadia Boulanger, and befriended Witold Lutoslawski and Dmitri Shostakovich. His Concerto for Alto Saxophone and String Orchestra (1993) starts with a brooding and serious quiet section, ‘Quieto,’ yet its dissonances are starkly beautiful. The second section, ‘Inquieto’ is a lighter, almost improvisational romp, exploiting the alto sax’s higher registers to create a brilliant tapestry that stimulates the musical intellect.

Soloist John-Edward Kelly commissioned both of the modern works and is an impeccable soloist. The Netherlands Radio Chamber Philharmonic is a superb accompanist and the sound is ideal. If you love the classical saxophone, this CD will provide much stimulation and pleasure.

Robert Moon

26.05.2012

Sternstunden für ein “aquatisches Instrument”
von Rainer Aschemeier

Die meisten Musikhörer kennen es so gut wie ausschließlich aus der Jazzmusik, nicht wenige halten es im klassischen Orchester perse für verzichtbar, und Claude Debussy beschimpfte es einst als „aquatisches Instrument“: Das Saxophon.

Keine Frage – das Saxophon hatte es als relativ späte Entwicklung nicht leicht, sich im klassischen Sinfonieorchester durchzusetzen. 1840 von dem belgischen Instrumentenbauer Adolphe Sax erfunden, bekam es mit seinem sonoren Sound ab 1845 zunächst einen Stammplatz in französischen Militärkapellen. Erst einige Zeit später entdeckten es auch ernstzunehmende Komponisten wie Hector Berlioz oder Giacomo Meyerbeer für ihr Orchester.

So richtig spannend wurde es erst, als der Jazz in den 1920er-Jahren in der Popmusik für einen Saxophon-Boom sorgte, dem sich auch die Vertreter der sogenannten E-Musik nicht entziehen konnten: Alban Berg, Igor Strawinsky, Ralph Vaughan Williams, Maurice Ravel, Benjamin Britten – und ja, auch Claude Debussy komponierten Musik mit prominenten Saxophonparts. Ein veritables Saxophonkonzert schrieb jedoch niemand von ihnen. Und so kommt es, dass ausgerechnet einer der Komponisten, die ansonsten inzwischen von der breiten Musikhörermehrheit fast vergessen sind, das bis heute meist gespielte und populärste Saxophonkonzert für sich verbuchen kann. Es wird selbst bis tief hinein in die Provinz immer wieder auf den Spielplänen zu entdecken sein und kann auf eine reiche Einspielungshistorie auf Schallplatten und CDs zurückblicken.

Die Rede ist von dem wunderschönen Saxophonkonzert Alexander Glasunows. Glasunow war Professor für Instrumentation am St. Petersburger Konservatorium und Lehrer einer gefühlt unüberschaubaren Zahl von russischer Komponistenprominenz wie etwa Dmitri Schostakowitsch, Sergej Prokoffjew oder Nikolai Mjaskowski (um nur die drei Wichtigsten zu nennen). In den späteren Jahren seines Lebens bekam Glasunow schwerwiegende gesundheitliche Probleme, die wohl auch auf eine jahrelange „Karriere“ als Alkoholiker zurückzuführen waren. Dennoch machte sich der bereits kranke Komponist noch zwei Jahre vor seinem Tod daran, ein herrliches Saxophonkonzert zu schreiben, das wir auf dieser Neuerscheinung des Münchener Labels NEOS in einer Spitzendarbietung zu hören bekommen.

Ausführender Solist und Dirigent der hier vorgestellten Einspielung ist John-Edward Kelly, dessen Lehrer Sigurd Rascher war. Rascher wiederum war Solist bei der Uraufführung des Glasunowschen Konzerts im Jahr 1934 im schwedischen Nyköping.

Obwohl es dieses Werk in vielen guten Darbietungen gibt (mein Favorit war bisher die Einspielung mit dem niederländischen Solisten Arno Bornkamp und dem Niederländischen Radiosinfonieorchester auf challenge classics), gehört doch diese hier auf NEOS fraglos zu den allerbesten, ist vielleicht sogar die bisherige Topaufnahme dieses unwiderstehlich anziehenden Werks.

John-Edward Kelly verfügt über ein ungewöhnlich hohes Maß dynamischer Abstufungen und über eine außergewöhnliche Virtuosität. Während dies Glasunows Saxophonkonzert eher „beiläufig“ zugute kommt, kann Kelly bei den beiden anderen Stücken auf dieser CD wirklich alles zeigen, was sein Instrument hergibt.

Sowohl die irische Komponistin Nicola LeFanu (eine Enkelin des irischen Kultschriftstellers Sheridan LeFanu, der eine Art irische Antwort auf E.T.A. Hoffmann war) als auch der polnische Komponist Krzysztof Meyer beschränken sich nicht darauf, das Saxophon als bloßes Blasinstrument zu betrachten. Bei ihnen wird es auch als quasi perkussives Gestaltungselement eingesetzt. Obertöne werden geradezu provoziert, herausgekitzelt, möglichst ungewöhnliche Klangeffekte sollen erzielt werden.

Während dies bei Krzysztof Meyer recht gut funktioniert – einfach auch deshalb, weil er als einstiger Freund Witold Lutosławskis und als heute noch aktiver zeitgenössischer Komponist einen adäquat modernen Stil pflegt -, ist das Konzert für Altsaxophon und Streichorchester von Nicola LeFanu in meinen Augen deutlich weniger gelungen. LeFanu müht sich, ihrem Konzert einen modernen Anstrich zu verpassen, kann aber nicht verhehlen, dass ihr neoromantische Klänge á la Michael Nyman eigentlich lieber gewesen wären. Damit will ich nichts gegen Neotonalität gesagt haben, doch Nicola LeFanus Saxophonkonzert wirkt dadurch eher aufgesetzt und nicht wie „aus einem Guss“. Da ist Krzysztof Meyers Konzert schon etwas ganz Anderes. Es hebt sich schon vom Aufbau des Werks her bewusst vom Vorbild Glasunow ab (was LeFanu übrigens nicht macht) und stellt das Saxophon in zwei gegensätzlichen Abschnitten (betitelt mit „Quieto“ und „Inquieto“) quasi sich selbst gegenüber. Sein Ansatz ist nicht nur ein Konzert mit einer originellen Form und einer traditionsbewusst modernen Tonsprache, sondern es ist auch eine Ausstellung des Soloinstruments. Wie in einer Vitrine wird hier das Saxophon in all seinen Facetten gezeigt – von goldglänzend und schillernd bis hin zu schnatternd und lärmend.

Klangtechnisch ist die CD durchaus gelungen, lässt es aber etwas an akustischer Auflösung fehlen. Nichtsdestotrotz kann man hier ohne Bedenken von einer hochklassigen Tontechnik sprechen, auch wenn sie höchsten HiFi-Ansprüchen vielleicht nicht in allen Details gerecht wird.

Fazit: Seit langer Zeit hat es kein so spannendes Saxophon-Album im klassischen Bereich mehr gegeben. Alle vertretenen Stücke sind sehr hörenswert und werden von der renommierten Niederländischen Kammerphilharmonie unter der Leitung von Micha Hamel konsequent erstklassig dargeboten. Der absolut fabelhafte Solist John-Edward Kelly ist dann gewissermaßen das „i-Tüpfelchen“ auf einer rundum gelungenen CD-Produktion. Glückwunsch an das Münchener NEOS-Label zu dieser wunderbaren Einspielung! Für mich ist sie zumindest in Sachen Glasunow die neue Referenz am Markt.

 

Classicsax.com
05.05.2012

John-Edward Kelly’s latest saxophone CD release is one that we’ve been waiting on for a few years! Back in 2000, Mr. Kelly recorded these three concerti with the excellent Netherlands Radio Chamber Philharmonic. Only now have they been released on the NEOS label.

Most saxophonists are very familiar with the famous Concerto by Alexander Glazunov. It is easily one of the most often studied and performed works in the repertory. There has been a resurgence of interest in the work from an historical viewpoint, so much so that there will be a presentation at the World Saxophone Congress meeting in July on this topic. While this type of examination of the repertoire of a particular instrument is commonplace among other instrumentalists, it is not always so with the saxophone. I believe the primary reason is that our body of music is relatively young, as is our instrument, and, therefore, has not attracted the scholarly examination into the origins or performances of the music. However, the new edition of the Glazunov Concerto from Baerenreiter, the new edition of the Debussy Rhapsodie from Henle, along with publications from Ethos, are presenting just this type of critical study of our music.

We can catch a glimpse into history through this recording from John Kelly. Mr. Kelly studied the Glazunov from the manuscript score with Sigurd Rascher. His rendition here makes good use of that preparation. Wrong notes in the printed version are corrected as well one tempo indication. The score was restored to the manuscript version and was used for this recording. If one is familiar with Rascher’s quite different aesthetic regarding this concerto, you can hear the Rascher influence throughout. As presented here, the concerto is not a “show piece” or technical tour-de-force. It is a stately, Romantic presentation of the saxophone as Glazunov heard it back in 1933. We will remain indebted to Alexander Glazunov for providing us the only true Romantic-era concerto for the saxophone. It is with this realization, and from this perspective, that the concerto should be studied and performed. Mr. Kelly does an admirable job in all regards, even providing an excellent, self-composed cadenza in lieu of the published version. Printed articulations and phrasings are not taken as definitive, but this, again, reflects the era of composition. If you need to be convinced of this, just look at how many editions there are of the great violin concerti prepared by different performers throughout the years.

The two other compositions on the recording are music of today. Nicola LeFanu gave the saxophone quartet a wonderful work back in 1985 entitled Moon over the Western Ridge, Mootwingee. Ms. LeFanu offers a few words about her 1989 concerto: “My Concerto for Saxophone is a single movement work lasting about 20 minutes. It has a characteristic and unusual sound world, arising from its virtuosity (in the solo saxophone and strings, too) and also because it employs quarter-tones throughout. The concerto is full of energy and colour; it is essentially a lyric piece, concerned with fantasy and reflection.”

As with many of the pieces composed for John Kelly, the 4+ octave range of the saxophone is used without reserve. The Concerto by Krzysztof Meyer was composed in 1992-93 and consists of a lamenting, darkly-textured slow movement and a dramatic seven-sectioned, starkly-contrasted fast movement. The music is passionate, expressive, dramatic. The use of the saxophone is remarkable, utilizing the high register with an unhindered virtuosity. Mr. Kelly seems most comfortable with these types of pieces and he creates a riveting performance here.

Robert Haley

www.classicsax.com

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